Das goldene Ufer
und sah sich nach Gisela um. Diese stand mit ihrer Mutter bei einigen Frauen, die unschlüssig schienen, ob sie mit dem Regiment aufbrechen oder warten sollten, wie sich die Schlacht entwickelte. Schließlich setzten auch sie sich in Bewegung und folgten den Soldaten in einigem Abstand.
Zu aller Überraschung führten die Offiziere sie auf den Wald zu. Einige Soldaten sahen sich um, als wollten sie die Gelegenheit nutzen und türmen. Doch die Offiziere und Unteroffiziere bewachten sie wie Hütehunde und brachten jeden mit Stockschlägen oder dem blanken Säbel dazu, diesen Vorsatz nach wenigen Schritten aufzugeben und sich wieder in die Marschkolonne einzureihen.
Der Schlachtenlärm wurde immer lauter, und diesmal war nicht der Wind daran schuld.
Reint Heurich starrte besorgt nach vorne. »Sieht aus, als kämen die Kerle auf uns zu! Wollen nicht hoffen, dass es zu viele sind. Die machen sonst Hackepeter aus uns.«
Stumm umklammerte Walther seine Trommelstöcke. Er hatte noch keinen Befehl erhalten zu trommeln, so als wollte der Oberst nicht, dass der Feind auf sie aufmerksam wurde. Dabei schienen ihm das Donnern der Kanonen und das Knattern der Musketensalven ohnehin so laut, dass es den Klang der Trommeln übertönen musste.
Endlich wurde Halt befohlen. Überall sanken Soldaten zu Boden, wurden aber von ihren Unteroffizieren sofort wieder auf die Beine getrieben.
Der Wachtmeister ihrer Kompanie baute sich breitbeinig vor ihnen auf. »Macht eure Musketen schussbereit! Jeder, dessen Muskete versagt, erhält zwanzig Rutenhiebe!«
Obwohl Heurich seine Waffe bereits gesäubert und geprüft hatte, tat er es noch einmal und lud sie sorgfältig. »Jetzt kann es nicht mehr lange dauern«, sagte er zu Walther, der seine Fußlappen auswrang, sie wieder um die Füße wickelte und in seine Stiefel schlüpfte.
»Wird es so enden wie bei Ligny?«, fragte der Junge bang.
Reint Heurich schüttelte den Kopf. »Gewiss nicht! Entweder wir gewinnen die Schlacht, oder die Franzosen schlagen uns so zusammen, dass keine zehn Leute pro Kompanie übrig bleiben.«
»Maul halten!« Fähnrich Diebold von Renitz war eben zum Regiment zurückgekehrt und zog Heurich im Vorbeireiten die Reitpeitsche über. Der kräftig gebaute Soldat nahm den Schlag hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber als der Sohn des Obersts vorbei war, schüttelte er sich und ballte die Faust.
»Dieser Hundsfott sollte mir nicht bei Nacht an einer abgelegenen Stelle begegnen, das sage ich dir. Aber das hast du nicht gehört! Verstanden?«
Ein warnender Blick traf Walther, der eifrig nickte. »Ich habe ganz bestimmt nichts gehört.«
»Das wird auch gut sein!« Heurich schnaubte und bleckte die Zähne. »Leider werden wir beide den Tag nicht mehr erleben, an dem so ein Adelsbürschchen uns nicht mehr wie einen Hund behandeln darf. Der Teufel soll sie alle holen! Die Franzosen haben anno zweiundneunzig richtig gehandelt, als sie dieses Gesindel einen Kopf kürzer gemacht haben.«
»Aber jetzt haben sie einen Kaiser und mehr Marschälle als wir Soldaten«, wandte Walther ein.
»Tja, offenbar wachsen zu rasch neue Köpfe nach, und die sind meist noch schlimmer.« Heurich verstummte, als Medard von Renitz auftauchte und sein Pferd vor den Marketenderinnen zügelte.
»Warum seid ihr nicht beim Tross?«, fragte der Oberst unwirsch.
Walburga Fürnagl hob in einer unbestimmten Geste die Arme. »Wenn wir wüssten, wo er sich befindet, wären wir schon dort. Doch seit vorgestern hat keine von uns den Tross gesehen.«
»Das ist unerfreulich.« Renitz’ Grimm galt weniger den Frauen als sich selbst, denn er hatte vor der letzten Schlacht seinem Tross befohlen, sich im Falle einer Niederlage nach Osten zurückzuziehen. Zu der Zeit hatte er nicht ahnen können, dass Blücher den Befehl ausgeben würde, nach Norden zu marschieren, um den Kontakt mit den englischen Verbündeten aufrechtzuerhalten. Jetzt waren seine Soldaten seit zwei Tagen ohne Verpflegung und sollten trotzdem auf dem Schlachtfeld ihren Mann stehen. Außerdem hatte er ein Dutzend Weiber am Hals, die nicht den Trosswagen, sondern den Soldaten gefolgt waren.
»Ihr bleibt in Deckung! Nicht, dass ihr die Männer beim Kämpfen behindert.« Mehr, sagte Graf Renitz sich, konnte er nicht für die Frauen tun. Mit einer heftigen Bewegung zog er sein Pferd herum und winkte seinen Sohn heran.
»Reite los und sieh zu, welche anderen Regimenter du findest. Es hat ja direkt den Anschein, als wären wir allein auf der
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