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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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und darum sind jetzt die vielen
Reiher und Löffler kaputt. Weißt du, was mit deinem Freund
das Problem ist, meine entzückende Lucy? Er glaubt, gut
geölt ist halb gebohnert.«
    Tiffany verfiel ins Kichern.
    Lucy wurde rot.
    Kolby grinste hämisch.
    Susan stand auf, um zu gehen.
    »Du Lump«, knirschte Anthonys Alter ego.
    »So ein Lump«, bekräftigte der echte Anthony.
    »Möchte wer noch Soße?« fragte Christoph van
Horne, hob die Schüssel vom Untersatz. »Was ist los, Leute,
seid ihr etwa Memmen?«
    »Ich bin keine Memme.« Frank Kolby nahm die
Schüssel und goß sich verseuchte Soße über
Puten~ fleisch und Kartoffeln.
    »Das verzeihe ich dir nie«, schäumte Susan und
rauschte zum Eßzimmer hinaus.
    Frank Kolby stopfte sich Kartoffelklumpatsch in den Mund.
»Schmeckt wie…«
    Das Bild erstarrte.
    Die Gestalten verflimmerten.
    Nur die Feder trieb noch auf der Wasserfläche.
    »Das war am schlimmsten an der ganzen
Matagorda-Bucht-Katastrophe, stimmt’s?« erkundigte sich
Rafael, rieb an seinem Heiligenschein. »Schlimmer als die
haßerfüllten Zuschriften der Umweltschützer und die
Morddrohungen der Garnelenfischer… Was Ihr Vater Ihnen an dem
Abend angetan hat, war am allerschlimmsten.«
    »Ja, diese Erniedrigung…«
    »Nein«, widersprach der Engel in spitzem Ton. »An
der Erniedrigung lag es nicht. Es war die rücksichtslose
Offenheit, die Sie so getroffen hat.«
    »Wie bitte?«
    »Vier Monate nach der Havarie der Valparaíso hat Ihnen endlich jemand die Wahrheit, die vom Bundesstaat Texas
geleugnet worden ist, unverblümt ins Gesicht gesagt.«
    »Welche Wahrheit?«
    »Sie sind der Schuldige des Unheils, Anthony van
Horne.«
    »Ich hab’s überhaupt nie abgestritten.«
    »Sie sind der Schuldige«, bekräftigte Rafael,
schlug eine Faust in den Handteller, als wäre er ein Richter,
der den Hammer schwang. »Aber der Schuld folgt die Sühne.
Wenigstens heißt es so.« Der Engel steckte die Finger
unter die Federn des linken Flügels und kratzte sich. »Nach
Beendigung des Auftrags besuchen Sie Ihren Vater.«
    »Den alten Sausack?«
    Der Engel nickte. »Ihren hochmütigen, launischen,
unglücklichen Vater. Sie sagen ihm, daß Sie Ihre Aufgabe
erfüllt haben. Und dann – das verspreche ich Ihnen –
wird Ihnen Vergebung zuteil.«
    »Auf seine Vergebung lege ich überhaupt keinen
Wert.«
    »Seine Vergebung ist die einzige«, erwiderte
Rafael, »die für Sie zählt. Blut ist dicker als
Öl, Kapitän. Sie haben sein Blut in den Adern.«
    »Ich kann mir selbst vergeben«, widersprach Anthony
trotzig.
    »Damit haben Sie es doch längst versucht. Duschen
nützt nichts, Kapitän. Auch der Cuxa-Springbrunnen hilft
nicht. Nur Christoph van Horne kann Ihnen helfen. Sie werden von der
Bürde der Gewissenslast niemals frei sein, das Öl wird nie
von Ihnen weichen, bis dieser Mann Ihnen in die Augen sieht und sagt:
›Junge, du hast gute Arbeit geleistet. Du hast ihn in die Gruft
gebettet.‹«
    Anthony spürte plötzliche Kälte durchs Cuxa-Kloster
wehen. Auf seinem nackten Körper bildete sich eine
Gänsehaut, so daß sie dem mit Entenmuscheln bewachsenen
Rumpf eines Tankers glich. Über den Brunnen gebeugt holte
Anthony die Feder aus dem Wasser. Was wußte er über Gott?
Vielleicht bestand Gott tatsächlich aus Fleisch und Blut
– und allem übrigen –, vielleicht konnte er
sterben. Anthonys Sonntagsschullehrer, Propagandisten eines derartig
verschwommenen und allgemeinen Glaubens, daß es sich nicht
einmal vorstellen ließ, es raffte sich irgend jemand auf,
dagegen zu rebellieren (bei den Wilmingtoner Methodisten jedenfalls
kannte man keine Aussteiger), hatten derlei Möglichkeiten nie
erwähnt. Wer wollte entscheiden, ob Gott einen Körper
hatte?
    »Vater und ich haben uns seit Weihnachten nicht mehr
gesprochen.« Anthony strich sich mit der feuchten, weichen Feder
über die Lippen. »Als letztes habe ich gehört,
daß er mit Tiffany nach Spanien gereist ist.«
    »Dann können Sie ihn dort finden.«
    Rafael torkelte vornüber, streckte Anthony die eisigen
Hände entgegen und sackte dem Kapitän in die Arme. Der
Engel war überraschend schwer und unerwartet fleischig. Wie
seltsam war doch das Universum. Viel seltsamer, als Anthony es sich
je ausgemalt hatte.
    »Bestatten Sie ihn…«
    Der Kapitän betrachtete den mit Sternen übersäten
Nachthimmel. Er dachte an seinen Lieblingssextanten, ein Geschenk
seiner Schwester zum Abgang von der New Yorker Marinehochschule, eine
tadellose Kopie des wunderbaren

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