Das Grab des Herkules
erblickte.
23
W ow!«, flüsterte Nina.
Die Grabanlage hatte einen quadratischen Grundriss mit fünfzig Meter Kantenlänge und wurde von einer flachen Kuppel überwölbt. Gestützt wurde sie von vier breiten, um einen zentralen Sockel herum angeordneten Säulen; vom Fuße jeder der Säulen stiegen Zwischenwände diagonal zu den Ecken der Kuppel an, sodass es aussah, als wäre der Raum von steinernen Keilen unterteilt.
Nina achtete jedoch weniger auf die Architektur, sondern auf das, was vor ihr auf dem Boden lag und sich hüfthoch an den Wänden türmte.
Gold.
Zunächst einmal nur Gold. Als sie die Taschenlampe umherschwenkte, funkelten jedoch auch noch andere Edelmetalle auf, Silber, Platin, selbst die Kupfer-Gold-Legierung, wie sie die Atlantianer bevorzugt hatten. Ein Teil der Edelmetalle war in Barrenform gestapelt, der größte Teil aber in Form einer schier unendlichen Vielfalt von kleinen und großen Schätzen – Statuen, Becher, Schilde, Armspangen, Kronen, Teller und Zeremonialgegenstände, die Nina nicht einmal benennen konnte …
Und dazwischen glitzerten wie verstreute Schneeflocken Edelsteine in allen Regenbogenfarben. Dieses Grab war zwar kleiner als der Poseidon-Tempel, den sie vor anderthalb Jahren entdeckt hatte, doch der Wert seiner Schätze um ein Vielfaches höher. Diese Fülle überstieg Ninas Vorstellungskraft. Das alles musste Milliarden wert sein.
Das Geräusch von Schritten ließ Nina aufschrecken. Sie drehte sich um und erblickte Sophia und Corvus, die an der Spitze der Bodyguards die Grabanlage betraten. Fassungslose Verblüffung zeichnete sich in ihrer Miene ab.
»Mein Gott«, flüsterte Corvus, »das ist mehr, als ich mir erträumt habe. Schau dir das an!«
Selbst Sophia war von Ehrfurcht überwältigt. »Ein richtiger Schatz«, sagte sie leise und trat näher an einen Stapel Gold heran. »Wahrer Reichtum .«
»Nina!« Chase zwängte sich an Komosa vorbei und lief zu Nina hinüber. Sie schlang die Arme um ihn. Chase erwiderte ihre Umarmung und drückte sie an sich.
Komosa musterte die beiden kühl und sah Sophia an, um weitere Befehle anzunehmen. Diese war jedoch zu sehr gefesselt von den hier versammelten Reichtümern, als dass sie sich auch noch um ihren Exmann kümmern konnte.
»Mein Gott, ach, mein Gott!«, sagte Nina, als sie ihn sah. »Bist du unverletzt?«
»Na ja, ein bisschen verätzt, aber das ist nur eine Kleinigkeit«, antwortete Chase. »Hauptsache, dir ist nichts geschehen.«
Ohne sich von ihm zu lösen, ließ Nina den Blick erneut durch das Grab schweifen, während Corvus’ verbliebene Männer sich verteilten und den Strahl ihrer Taschenlampen über den Goldschatz tanzen ließen. »Herrgott, das ist einfach unglaublich!« Sie ließ Chase los und drehte sich um die eigene Achse, wobei sie vor Erregung beinahe auf und ab gehüpft wäre. »Mein Gott, schau dir das an! Damit … wird die Geschichte praktisch neu geschrieben! Das Grab des Herkules, noch dazu nahezu unversehrt. Schau dir nur diese Schätze an! Das ist wahrscheinlich der bedeutendste Fund aller Zeiten !«
»Du kannst ihn nicht mitnehmen«, sagte Chase lächelnd, »das ist nicht einmal Herkules gelungen. Aber er hat es zumindest versucht.«
»Wahrscheinlich hat er nicht mal davon gewusst. Das sind alles Grabbeigaben, Geschenke dankbarer Menschen, die ihren Helden ehren wollten«, erwiderte Nina. Sie hob die Taschenlampe an und geleitete ihn zu einer der rampenartigen schrägen Zwischenwände. Komosa folgte ihnen in ein paar Schritten Abstand, die Waffe in der Hand. An der Wand zog sich ein kunstvoller Fries aus tausenden kleinen bunten Scherben entlang, der mehrere Szenen darstellte. »Siehst du, hier werden sein Leben und seine Abenteuer gefeiert.«
Chase betrachtete die Darstellungen. »Hier tötet Herkules einen Kerl, hier tötet Herkules gleich mehrere Kerle und ein paar Hunde, und hier sehen wir Herkules bei … einer Orgie.« Er sah genauer hin und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Bei einer Schwulenorgie.«
»Herkules hatte männliche und weibliche Liebhaber«, erklärte Nina. »Und du hast recht, er hat schrecklich viele Menschen getötet, häufig auch ganz beiläufig. Außerdem hat er eine bedeutende Rolle bei der Eroberung Trojas und dem Massaker an dessen Einwohnern gespielt, und das war nur einer der Feldzüge, an denen er teilgenommen hat. Für die einen war er schon zu Lebzeiten ein legendärer Held, für die anderen eher ein marodierender Psychopath.«
»Eigentlich
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