Das Grab des Herkules
dieser Schmerz nur ein Vorgeschmack war auf das, was ihn erwartete, wenn sich die ätzende Flüssigkeit durch das Leder fraß und direkt auf seine Haut traf.
Da er mit den Füßen keinen Halt mehr hatte, baumelte er hilflos in der Luft, beide Arme um den Hals des Zerberus geschlungen.
Er wand sich und stemmte die Beine gegen die Brust der Statue, sodass er sich hochziehen konnte. Schließlich bekam er die Ohren des Zerberus zu fassen und verlagerte sein Gewicht darauf.
»Scheiße!«, schrie Chase. Sein Jackenärmel qualmte, und die Dämpfe waren hier oben so stark, dass er kaum mehr Luft bekam.
Bis zur rückwärtigen Wand waren es noch drei Meter, zweieinhalb …
Er holte erneut mit den Beinen aus, schwang sich in eine neue Position, fasste mit der Linken die Oberseite des Kopfes und versuchte, ihn gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Als er den Arm hob, tropfte Säure auf seine Wange.
Er schloss die Finger um das andere steinerne Ohr. Die Wand war nur noch zwei Meter entfernt.
Ein letzter Versuch …
Unter lautem Gebrüll zog Chase am Kopf, während er mit den Füßen an der Brust des Hundes verzweifelt nach dem kleinsten Halt suchte.
Noch anderthalb Meter, ein Meter …
Der Kopf bewegte sich. Und dann geschah es: Beide Riesenpfoten krachten mit großer Wucht auf den Boden, wobei eine der gebogenen Krallen abbrach und gegen das Fallgitter prallte – Zerberus kam ruckartig zum Stehen.
Chase ließ sich fallen, riss sich die Jacke vom Leib und warf sie auf den Boden. Rauch kräuselte sich davon empor, der linke Ärmel und der Rücken waren durchlöchert. Hektisch wischte er mit dem T-Shirt die ätzenden Säuretropfen vom Kopf und den Händen ab. »Scheiße! Verflucht noch mal, brennt das!«
Komosa und ein zweiter Mann hoben das Fallgitter an. Darunter lag der mittlere Hundekopf. Eine Steinplatte bewegte sich leicht. Komosa zwängte sich an Chase vorbei und öffnete die Bodenklappe mit einem Fußtritt. Darunter kam der Ausgang der Kammer zum Vorschein. »Wir sind durch«, sagte er, als Sophia und Corvus dazukamen.
Chase blickte betrübt auf die kokelnde Lederjacke zu seinen Füßen nieder. »Jacke weg, Waffe weg«, klagte er. »Das war keine gute Woche.« Als er hinter Sophia Nina entdeckte, hellte sich seine Miene allerdings ein wenig auf. »Alles habe ich jedenfalls noch nicht verloren«, sagte er in ihre Richtung.
Sie lächelte zwar nicht, doch die Erleichterung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Corvus wandte sich Nina zu. »War’s das? War das hier das letzte Hindernis?«
»Ich muss noch eine Seite übersetzen. Aber ja, das war die letzte Aufgabe. Das Grab des Herkules liegt dort drüben.« Sie zeigte auf die Öffnung, die sich aufgetan hatte.
Corvus wollte bereits ungeduldig hindurchschreiten, doch Sophia hielt ihn am Arm fest. »Ich glaube, wir sollten unseren Yorkshire Jones vorschicken«, sagte sie. »Für alle Fälle.«
Komosa nickte und stieß Chase mit seiner Waffe an.
Erschöpft schlurfte Chase zu der Öffnung.
»Moment«, mischte sich Nina ein und trat vor. »Lass mich zuerst reingehen.«
Sophia schnaubte spöttisch. »Das halte ich nicht für angebracht.«
Nina wandte sich an Corvus. »Das ist meine Entdeckung. Ohne mich wären Sie nicht hier. Sie wüssten nicht einmal, dass dieser Ort überhaupt existiert. Gönnen Sie mir wenigstens den ersten Blick aufs Grab.«
Nach kurzem Zögern nickte Corvus. Sophia warf ihm einen warnenden Blick zu. »René …«
»Wenn sie Dummheiten macht, erschießen Sie Chase«, sagte Corvus zu Komosa. Damit war der Fall für ihn erledigt.
Der Nigerianer grinste erwartungsvoll, als er Nina seine Taschenlampe reichte.
»Viel Glück«, sagte Chase, als Nina sich bückte und durch das Loch kletterte.
Der niedrige Gang führte unter dem Weg der Statue her und mündete dann in die dahinterliegende Kammer mit den Zahnrädern, Ketten und Gegengewichten, die den inzwischen reglos dastehenden Zerberus angetrieben hatten. Ohne sich darum zu kümmern, richtete Nina die Taschenlampe auf einen weiteren Torbogen an der anderen Seite.
Dieser Durchgang war wesentlich größer als die anderen, außerdem verschwenderisch mit Silber, Gold und Edelsteinen geschmückt.
Nina näherte sich ihm und leuchtete durch die Öffnung. Weitere Schätze funkelten ihr entgegen.
»Ich glaube, wir sind am Ziel!«, rief sie, als sie die Öffnung erreicht hatte – dann trat sie hindurch.
Somit war Nina die erste Person seit tausenden Jahren, die das Grab des Herkules
Weitere Kostenlose Bücher