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Das Grab des Tauren

Das Grab des Tauren

Titel: Das Grab des Tauren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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daran, wieder zu wachsen, aber wir wußten, das hätte alles nur schlimmer gemacht. So beschlossen wir, anders zu wachsen… mit dem Geist. Merryones Mutter lehrte uns Lesen und Schreiben, erklärte uns die Bedeutung von Zahlen. Ein weiser Mahn war lange bei uns und erzählte uns alles, was er über die Geschichte von Caer und über die Welt wußte. Aber nirgends, das sagte er uns, hatte er jemanden wie uns gesehen. Er sagte auch, daß wir Taurenkinder seien. Aber er wußte nicht viel von den Tauren… nur, daß sie sehr groß waren, und daß es sie nicht mehr gibt. Bald darauf schickte Vater ihn fort. Wir sind oft sehr einsam gewesen…«
    Es klang seltsam, solch abgeklärte Worte aus Kindermund zu hören. Aber es war noch seltsamer, solche übermannsgroßen Kinder vor sich zu haben – mit allen Merkmalen von Kleinkindern, feisten Armen und Beinen, rundlichen Gesichtern, mit Händen und Zügen, die keinerlei Zeichen eines dreißigjährigen Alterns trugen. Nur in den Augen war manchmal eine große Weisheit, und die Worte waren altklug und unkindlich, oft im Gegensatz zu den Gesten und Bewegungen. Nottr konnte kaum die Augen von ihnen abwenden. Sie schienen seine unverhohlene Neugier jedoch nicht krumm zu nehmen.
    »Eines Tages kamen die Priester auf die Burg und gingen nicht wieder. Da fürchtete Vater um uns, und wir mußten fortan in dieser Abgeschiedenheit leben. Wir entdeckten die Korridore und erforschten sie alle. Dabei erkannten wir, daß man von diesen Gängen aus fast jeden Raum des Haupthauses beobachten könnte. Das taten wir oft, wenn uns langweilig war. Und uns war oft langweilig. Auf einem dieser Streifzüge entdeckte uns die Lady Lydia. Es war ein unglücklicher Zufall. Von da an kam sie oft mit uns, vor allem, um die Priester zu belauschen. Sie bemühte sich sehr, unsere Freundin zu sein. Aber wir mochten sie nicht sehr. Es wurde immer nur getan, was sie wollte…«
    »Du redest und redest«, unterbrach ihn Duzella vorwurfsvoll. »Statt zuerst Master Thonensen für die wunderbare Rettung Merryones zu danken…«
    Der Junge nickte. »Verzeih, Master Thonensen. Aber außer mit Merryone und dem Gesinde haben wir kaum Gelegenheit zu reden, und sie verstehen nicht genug von den Dingen, die wir ihnen sagen möchten. Ohne Merryones Liebe und Fröhlichkeit wäre das Leben sehr traurig. Deshalb Dank für deinen Mut und deine Hilfe, Master Thonensen. Wir werden es niemals vergessen. Wenn du einen Wunsch hast, den wir dir erfüllen können…«
    »Keinen Wunsch, Taurond«, unterbrach ihn der Magier lächelnd. »Merryone verdankt ihr Leben euch, denn ihr habt die Gefahr entdeckt. Nein, ich habe keinen Wunsch… aber Fragen… viele Fragen…«
    Das Gesicht des Jungen leuchtete in kindlicher Freude auf.
    »Gut, frag, was du willst. Heute will ich reden… über alles, was ich weiß… obwohl das nicht viel ist«, fügte er traurig hinzu.
    »Laß es uns herausfinden«, schlug der Magier vor.
    »Ja, gut…«
    Die Ausbeute war enttäuschend. Thonensen war sicher, daß die Kinder ihm nichts verschwiegen, aber es war in der Tat nicht viel, was sie wußten. Sie wußten, daß sie Tauren waren, weil der weise Mann es ihnen gesagt hatte und weil sie es auch aus den Träumen ihres Vaters gelesen hatten, wie sie sagten. Sie waren die leiblichen Kinder Dhaggers und Arlianas, aber der Geist dieses Taurenhauses hatte sie verwandelt. Sie wußten nichts von dem toten Tauren, der irgendwo in diesen Mauern sein mußte, kannten nicht einmal seinen Namen, Cescatro. Sie wußten nicht mehr über die Tauren, als jedermann aus den Legenden wußte. Obwohl sie seit zwei Jahren die geheimen Gänge des Bauwerks durchforschten, waren sie auf nichts gestoßen, das auf ein Grabmal hingewiesen hätte.
    Aber nun, da Thonensen davon sprach, zweifelten sie nicht im geringsten daran, von seinem Geist berührt worden zu sein, manchmal, wenn sie tief betrübt gewesen waren. Sie hatten manchmal das Gefühl gehabt, nicht ganz verlassen zu sein.
    Das war auch ein Grund gewesen, warum sie nicht fortgegangen waren aus Burg Maghant – ein Gefühl des Hierhergehörens. Der andere Grund war gewesen, daß sie noch nicht erwachsen genug waren, um allein zu leben. Aber sie konnten nicht erwachsener werden in dieser kleinen Gestalt. Sie sprachen meist wie erwachsene Menschen und bemühten sich, so zu denken, aber es fiel ihnen oft schwer, zu unterscheiden, was kindlich und was erwachsen war. Sie fühlten sich als Kinder, die erwachsene Menschen nachahmten,

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