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Das Grab des Tauren

Das Grab des Tauren

Titel: Das Grab des Tauren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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war, verteidigt. Ihr verkümmerter Geist war dem Zustand des Todes nicht unähnlich geworden in dieser langen Zeit. Alle Erinnerungen an das Leben waren tausendfach gedacht und vergessen. Lange, sehr lange, war keiner mehr gekommen, um sie aus der Dämmerung ihrer Existenz zu wecken. Sie hatten fast vergessen, wie es war, zu töten.
    Und nun, da es wieder soweit war, ließen sie sich Zeit. Sie genossen es, flüsterten aufgeregt, schwelgten in den fremden Geistern, den Erinnerungen aus einer Welt, die sie nie gekannt hatten.
    Sie waren die Echos des Lebens, die Thonensen erblickt hatte, als er zum erstenmal mit seinem Auge sah.
    Ihre Aufregung rief Cescatros wandelnden Geist aus den fernsten Räumen seines Grabes herbei. Er war schwach und blind. Seit der Zeugung der Zwillinge war kaum noch Kraft in ihm. Das endgültige Verlöschen des Todes kam schließlich auch über den zähen, lebenshungrigen Geist des Tauren. Es war nahe. Allein die Neugier um das Schicksal der Kinder hatte ihn all diese Jahre noch wachgehalten.
    Doch ohne lebende Sinne war sein Geist stumm und blind und taub. Einst war er stark genug gewesen, Besitz zu ergreifen von den Sinnen der Menschen, die sich in seinem Totenhaus niedergelassen hatten. Er hatte mit ihnen gesehen, gehört und gefühlt.
    Er hatte selbst gezeugt – mit dem Samen eines Caer, und dem Geist eines Tauren.
    Und nun hatten sie seine Gruft gefunden und kamen herab, um vergangene Größe zu sehen, wie sie niemand sehen sollte. Aber hier, so dicht bei ihm, reichte selbst seine geringe Kraft noch aus, noch einmal Leben zu kosten – so nieder es auch war.
    Er wischte die Geister der Priester aus den Gehirnen wie Staub und suchte nach Bildern seiner Nachkommenschaft. Er erkannte, daß sie Fremde waren und von weit her kamen. Er sah die Bilder einer Welt, in der die Dämonen herrschten, und ein Grimm wuchs in ihm, der an den Resten seiner Kräfte zehrte, aber nicht zu löschen war. Auch seine Rasse hatte durch die Dämonen ungeheure Schmach erlitten. Und als er sah, wie diese Menschen gegen den übermächtigen Feind gekämpft hatten, wuchs seine Achtung vor dieser Rasse, die so verzweifelt gegen den uralten Feind rang – die Kreaturen des Nicht-Lichts.
    So entschied er, da sie in sein Grab gekommen waren, nicht um nach Schätzen zu wühlen, sondern um altes Wissen zu finden, das ihnen in ihrem Kampf helfen mochte, auch ihnen das Wissen zu geben, das für seine Nachkommen, die letzten der Tauren, bestimmt war.
    Er ließ sie sehen:
    Vor langer Zeit…
    Vor Tausenden von Jahren…
    Die Küste des Meeres der Spinnen.
    Aus dem Dunst über dem Meer, scheinbar aus dem Nichts, kam eine gewaltige Schar – Männer und Frauen von solcher Größe, daß die ältesten Bäume Caers für sie wie Buschwerk waren. Mehr als ein Dutzend Mannslängen groß waren sie. Es war das Volk der Tauren. Der mehr als hundert Köpfe zählende Stamm der Tanen.
    Der Zug bewegte sich landeinwärts und hinterließ einen breiten Pfad in der Wildnis.
    Dies war eine fremde Welt für sie, und ihre Gedanken klagten, daß sie sich verirrt hatten. Hier waren alle Dinge klein, hier spürten sie das Gewicht ihrer großen Körper als eine Bürde. Sie litten Hunger und Erschöpfung und Heimweh. Aber sie fanden keinen Weg zurück. Sie zogen über die ganze Insel und entdeckten Ansiedlungen kleiner Menschen an den südlichen Küsten und im Westen. Ihre Dörfer waren wie Spielzeuge für sie. Die kleinen Menschen hatten Furcht.
    Manche flüchteten in die Wälder oder aufs offene Meer hinaus. Andere fielen auf die Knie vor ihnen und beteten wie zu Göttern. Wieder andere zückten ihre kleinen Waffen. Aber solcher Mut endete mit ihrer Vernichtung, denn ein Taure vermochte ein Dorf auszutreten wie eine Feuerstelle.
    Aber die, die beteten, brachten auch Essen als Opfer, und die Tauren gewährten ihnen die Gunst, ihre Götter zu sein. Und die, die flohen, ließen Essen zurück. So wurde es bald zu einem Sport der Riesen, menschliche Ansiedlungen aufzuspüren.
    Sie waren Meister des Steinbaues und begannen mächtige Häuser zu errichten, dort wo jetzt Gianton stand. Steinerne Türme strebten in weißer Pracht in den Himmel. Die Gestrandeten begannen in der neuen Welt Fuß zu fassen.
    Dann rief sie eine Stimme. Sie war in ihren Köpfen und ließ sie nicht mehr los, bis alle, wo immer im Land sie sich auch befanden, wie im Traum dem Ruf folgten.
    Sie alle trafen auf einem Plateau zusammen, auf dem sich ein mächtiger schwarzer Steinblock aus

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