Das Grab des Tauren
dem spärlichen Buschwerk erhob. Selbst sie, die Kunstwerke aus Stein zu formen vermochten, waren fasziniert von diesem Stein, denn er war von solch einem tiefen Schwarz, wie selbst der Himmel über ihrer Welt nicht war, wie selbst die Finsternis zwischen den Sternen nicht war. Er war glatt, mit runden Kanten. Kleine Vertiefungen erstreckten sich über die spiegelnde Glätte, und winzige Öffnungen, zu vollkommen, um nur Zierrat zu sein. Ein Blutstein mochte es sein.
Aber es war mehr – der Sitz eines dunklen Gottes, dessen Gestalt sie vage wahrnehmen konnten. Ihr Anblick erfüllte sie mit Abscheu und Schauder.
Die Tauren hätten versucht, diesen schrecklichen Stein zu vernichten, wäre nicht die Stimme gewesen.
»Ich bin ein Gestrandeter wie ihr auf dieser Welt. In Euren Zeichen würde mein Name Cherzoon lauten. Namen bedeuten sehr viel, dort wo ich herkomme, Macht oder Ohnmacht beispielsweise. Ich weiß einen Weg zurück… einen Weg, der euch auch in eure Heimat zurückbringen würde. Aber ich bin allein zu schwach.«
Vergessen waren Abscheu und Schauder. Die Gestade ihrer unerreichbaren Welt standen vor ihren Augen. Für dieses Ziel waren sie zu allem bereit.
»Stein«, fuhr Cherzoon fort, »ist das Mittel für unser beider Magie…«
»Aber«, sagten sie, »wir bauen ohne Magie… es ist nur die Kraft unserer Körper…«
»Für mich sind eure Bauwerke Magie. Mit eurer Magie und meiner werden wir eine Brücke bauen, die uns zu unseren Welten führt…«
»Eine Brücke?«
»Eine Brücke aus Nicht-Licht … eine magische Brücke, die in die Finsternis führt, in der alle Welten sind.«
Sie bauten stong-nil-lumen – die Steinkreise des Nicht-Lichts.
Das Tor entstand in einem Jahr – ein offener Kreis von zehn Monolithen, die fünf Mannslängen über die Erde ragten. Je zwei waren jeweils an ihrem oberen Ende mit Quersteinen verbunden. Cherzoon nannte sie die Dreisteine. Sie besaßen eine besonders magische Bedeutung. Diese fünf Dreisteine standen kreisförmig dergestalt, daß eine Öffnung nach dem Süden der Welt offen blieb.
Es folgte der eigentliche Innerste Steinkreis. Er bestand aus viermannshohen kantigen Steinen besonderer Art – Himmelssteine, die auf die Welt gefallen waren. Zehn Jahre dauerte es, bis sie genug gefunden und sie aufgestellt hatten. Auch sie wiederum wurden zu Dreisteinen verbunden.
Danach kam der mittlere Steinkreis – dreimannshohe Säulen, wuchtig, doch glatt behauen; Stein aus den Tiefen der Erde, auf der sie standen.
Schließlich der äußere Ring – nadelförmige, zweimannshohe Säulen aus Stein, der in Höhlen entstanden war, vom ewig tropfenden Wasser geformt und geschliffen – ohne je das Licht erblickt zu haben. Sie waren die Pfeiler des Nicht-Lichts. Sie in dieser Vollendung zu finden, trieb die Tauren erneut in alle Länder der Nordwelt.
Es war für sie in ihrer körperlichen Größe nicht schwer, die Säulen aufzurichten und nach dem Plan Cherzoons anzuordnen. Selbst die höchsten Monolithen der inneren Kreise überragten kaum ihre Knie. Aber diese Steinkreise waren nur der sichtbare Teil. Unter ihnen mußte ein Fundament aus Steinquadern geschaffen werden, das tief hinein in die Erde reichte. Selbst für die Tauren war dies ein solch gewaltiges Werk, wie sie es noch nie zuvor in Angriff genommen hatten. Und als es fertig war, waren ihre Kräfte erschöpft.
Sie mißtrauten Cherzoon. Von den ersten Stunden an mißtrauten sie ihm, denn sie konnten wohl sehen, daß er alles Leben verachtete. So sannen sie bald, während sie das Fundament schufen, auf einen Weg, sich zu rächen, wenn Cherzoon falsches Spiel mit ihnen treiben sollte.
Sie gruben den Schacht tiefer als Cherzoon verlangte – doppelt so tief. Der Aushub formte die Ausläufer des Hochlands im Osten.
Über dieser Leere verankerten sie das Fundament so genial, daß nichts – kein Erdbeben, kein einschlagender Himmelsstein – es erschüttern oder zum Einsturz bringen könnte.
Keine Gewalt – außer dem Lockern eines verhältnismäßig kleinen Steines im Innern des Fundaments durch die Hand eines Tauren. Selbst die winzige Kraft eines Menschen würde ausreichen.
Sand würde daraufhin aus Öffnungen rieseln und einen anderen, größeren Stein ins Gleiten bringen. Mehr Sand würde rieseln. Ein weiterer Block würde sich lösen und unaufhaltsam in die große Halle stürzen, die Cherzoon sich unter den Steinkreisen ausbedungen hatte. Block um Block würde folgen, schließlich selbst die Monolithen
Weitere Kostenlose Bücher