Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
gespielt. Bis zu dem Tag, an dem Annie verschwand.«

Kapitel 6

    Großvater wollte Engla Forin einen Krankenbesuch abstatten. Allerdings war Karl sehr überrascht, als sein Großvater ihn darum bat, ihn zu begleiten. Er hatte gar nicht gewusst, dass die beiden befreundet waren. Aber wahrscheinlich gab es noch eine ganze Menge mehr, das er von seinem Großvater nicht wusste.
    Die Ärzte hätten Engla am liebsten noch zur Beobachtung im Krankenhaus behalten, aber Doktor Ekwall hatte durchgesetzt, dass Engla nach Hause entlassen wurde
    Englas Haus lag, genau wie Sara gesagt hatte, weit draußen im Moor. Der Weg dorthin war ziemlich zugewuchert. Aber war man erst einmal dort, dann hatte man einen herrlichen Blick auf einen kleinen See, der nur der Klarsee sein konnte.
    Rundherum gab es nichts als Moor. Die Grenze zwischen See und Sumpf war nicht leicht zu erkennen, aber als Karl näher kam, sah er, dass das Wasser des Sees so klar war, dass es fast leuchtete, während das Moor braun und trübe wirkte. Ein langer Steg führte hinaus auf den See, in dem Lilly der Sage nach das magische Amulett gefunden hatte.
    Karl wurde ein wenig nervös, als Großvater die Tür zu Englas Haus öffnete. Er erinnerte sich daran, wie sie nach ihrem Anfall auf der Bühne mit ihm gesprochen hatte. Immerhin schien sie gewusst zu haben, wer er war.
    Auch Großvater war angespannt. Er hatte sich die Haare mit Wasser gekämmt, ein Jackett angezogen und hielt einen Blumenstrauß in den Händen. So sah er ziemlich seltsam aus, fand Karl – sein Großvater hatte abgewetzte Sachen mit Ölflecken zu tragen und mit großen, vermutlich lebensgefährlichen Werkzeugen herumzuhantieren. Tief im Innern ahnte Karl, dass etwas anderes als die ungewohnte Aufmachung seinen Großvater beunruhigte.
    Sie traten in den kleinen Flur, der fast vollständig von einem Rollstuhl versperrt wurde, und Großvater nickte in Richtung einer offenen Tür.
    »Komm, ich zeige dir was.«
    Karl folgte ihm in die Küche. Dort drinnen stand ein Vogelkäfig, in dem ein großer grüner Papagei saß. Er flatterte ein wenig mit den Flügeln, als er sie sah, aber er gab keinen Piep von sich. Großvater trat näher an das Gitter heran.
    »Hallo, Kolumbus!«, begrüßte er ihn.
    Der Vogel schwieg.
    »Hallo, Kolumbus!«, wiederholte Großvater, aber der Vogel blieb stumm.
    Großvater sah überrascht aus.
    »Komisch. Sonst ist es schier unmöglich, ihn zum Schweigen zu bringen.«
    Fasziniert betrachtete Karl den großen schönen Vogel, der den Kopf schief gelegt hatte und Karl neugierig beäugte. Aber er gab keinen Laut von sich. Großvater zuckte die Schultern und ging die Treppe hoch zu Englas Schlafzimmer.
     
    Engla saß halb aufgerichtet im Bett, den Rücken von zahlreichen Kissen gestützt. Ihr dickes graues Haar war zu einem langen Zopf geflochten. Ein Mundwinkel hing gelähmt nach unten und sie starrte abwesend an die Decke. Sie sah aus, als wäre sie mindestens hundertfünfzig, dabei konnte sie eigentlich kaum älter als Karls Großvater sein. Es war schwer einzuschätzen, wie viel Engla von ihrer Umgebung noch mitbekam.
    In dem kleinen Schlafzimmer roch es nach Krankenhaus und Alter. Großvater stand wie angewurzelt da und starrte Engla eine ganze Weile hilflos an, den Blumenstrauß krampfhaft in der Hand. Dann holte er einmal tief Luft, legte die Blumen auf Englas Decke und nahm ihre Hand.
    »Hallo Engla«, begrüßte er sie ganz vorsichtig. »Du hast uns einen ordentlichen Schrecken eingejagt, da unten im Bürgerhaus. Was für eine Szene. Die Sache mit der Dramatik beherrschst du offenbar immer noch ausgezeichnet.«
    Karl meinte ein Glitzern in Englas Augen zu erkennen, als sie das hörte. Ein strenger Zug auf der linken Seite ihres Gesichtes war vermutlich ein Lächeln.
    Großvater schien sich ein klein wenig zu entspannen.
    »Karl, komm mal her, ich möchte dich vorstellen.«
    Großvater wandte sich wieder an Engla.
    »Das hier ist Karl. Mein Enkel. Louises Junge, weißt du?«
    Zögernd machte Karl ein paar Schritte auf das Bett zu. Engla betrachtete ihn mit intensivem und zugleich unergründlichem Blick. Sie rührte sich nicht.
    »Vielleicht setzt du dich kurz zu Engla, während ich eine Vase für die Blumen suche«, sagte Großvater und nahm den Strauß mit.
     
    Karl setzte sich. Engla beobachtete jede seiner Bewegungen. Ein Spuckefaden rann aus ihrem hängenden Mundwinkel, nervös rutschte Karl auf seinem Stuhl hin und her.
    »Möchtest du einen Schluck Wasser?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher