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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hafen. Es war, als würde Doktor Ekwalls Weihnachtsfenster ihn magisch anziehen. Er musste es wenigstens noch ein Mal sehen. All die kleinen Details waren so faszinierend und das winzige Städtchen sah so ruhig und friedlich aus – ein richtiges, kleines Idyll.
    Karl stand noch vor dem Fenster, als er plötzlich Schritte hinter der Tür hörte. Instinktiv machte er einen Satz um die Hausecke und presste sich an die Wand. Eine Türglocke schrillte und er hörte, wie jemand auf den Bürgersteig hinaustrat. Den Stimmen nach ein Mann und eine Frau.
    »Ja, doch, ich weiß«, sagte die Frau. »Wir brauchen es . . . Und auch das Geld . . .«
    Vorsichtig spähte Karl um die Ecke. Er schnappte nach Luft und zog seinen Kopf blitzschnell zurück. Rektorin Sonja Svärd und Doktor Ekwall!
    »Beruhige dich, Sonja«, unterbrach Doktor Ekwall sie verärgert. »Mag sein, dass Engla uns nicht alles erzählen kann, was sie weiß, aber vielleicht haben wir bald schon jemanden, der das übernimmt.«
    Sie stritten über etwas Geheimes, das konnte Karl an ihren gedämpften Stimmen erkennen, aber aus dem, was sie sagten, wurde er trotzdem nicht schlau. Neugierig blieb er stehen und belauschte die beiden, obwohl er am liebsten so schnell wie möglich abgehauen wäre.
    »Deshalb ist es ja so wichtig, dass das Stück aufgeführt wird«, sagte Doktor Ekwall ungeduldig. »Die Proben müssen fortgesetzt werden. Lilly ist der Schlüssel.«
    »Aber, was machen wir, wenn sie auch . . .«, Sonja Svärd stockte. »Sollten wir nicht lieber auf Engla hören? Ich meine, sie muss es doch wissen . . .«
    »Engla Forin tickt nicht mehr ganz richtig«, sagte der Doktor. »Und zwar schon sehr, sehr lange nicht mehr. Sie weiß nicht, wovon sie spricht. Ganz abgesehen davon kann sie es ja offensichtlich gar nicht mehr. Sprechen, meine ich.«
    In seiner Stimme fand sich nicht die geringste Spur von Wärme. Auch nicht, als er fortfuhr: »Sara ist ein Naturtalent, sie passt perfekt in unseren Plan. Sie wird uns den Weg zeigen.«
    Karl verstand überhaupt nichts. Welchen Weg meinten sie bloß?
    »Na gut«, sagte Sonja Svärd und seufzte. »Dann bis später.«
    Der Klang ihrer Schritte wurde leiser. Für ein paar Sekunden blieb es still, dann hörte Karl wieder Doktor Ekwalls Stimme.
    »Du, Sonja   …!«
    »Ja?«
    »Frohe Weihnachten!«
    Karl hätte schwören können, dass ein boshaftes Lachen in Doktor Ekwalls Stimme mitschwang.
    Sowie die beiden außer Sichtweite waren, traute Karl sich wieder, seinen Weg zum Bürgerhaus fortzusetzen, aber sicherheitshalber schaute er sich alle paar Meter um. Er wollte nicht riskieren, Doktor Ekwall oder Sonja Svärd doch noch über den Weg zu laufen. Was suchten die zwei eigentlich so dringend? Und warum unterhielten sie sich ausgerechnet über Sara und diesen Weg . . .?
    Noch einmal warf Karl einen Blick über die Schulter – und als er sich wieder umdrehte, stand eine fremde, dunkel gekleidete Gestalt vor ihm. Erschrocken wich er im ersten Moment zurück, aber dann erkannte er sie.
    »Sara?«
    Wortlos starrte sie ihn an. Kein Wunder, dass sie ihm so fremd vorgekommen war: Sara trug ihr Theaterkostüm und war für die Bühne geschminkt. Ihre Haut hob sich weiß gegen die rußschwarzen Augen ab.
    »Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt«, sagte Karl und lachte auf. »Ich habe dich gar nicht erkannt.«
    Sara antwortete nicht, sondern blickte Karl nur weiter fragend an. In ihrem düsteren Bühnenkostüm sah sie wirklich so aus, wie er sich die Mädchen zu Lillys Zeit vorgestellt hatte.
    »Ich wollte dich gerade abholen«, sagte er eifrig. »Wir sind alle auf dem Weihnachtsmarkt und haben dich vermisst.«
    »Es tut mir leid, aber ich muss mich beeilen«, unterbrach Sara ihn. »Verzeih mir . . .«
    Sie nickte Karl zu und ließ ihn dann einfach stehen.
    »Sara, warte   …«
    Sprachlos blieb Karl zurück und schaute ihr nach.
    »Frohe Weihnachten!«, rief er ihr hinterher, doch sie drehte sich nicht mehr um.
    Okay, jeder konnte es mal eilig haben, aber Sara hatte ja fast so getan, als wäre er ein Fremder. War sie sauer auf ihn?
    Und dann dieses »Verzeih mir . . .« So hatte sie sich noch nie ausgedrückt. Seit sie in diesem Theaterstück mitspielte, benahm sie sich wirklich seltsam.

Kapitel 8

    Es war schon spät am Abend, als Mama in Karls Zimmer kam, um ihm gute Nacht zu sagen. Sie zog ihm die Decke hoch bis ans Kinn und stopfte sie so fest um ihn herum, dass er keinen Finger mehr rühren

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