Das Grab im Moor
»und ich möchte euch natürlich gerne daran erinnern, dass der offizielle Startschuss für die Feierlichkeiten an Silvester fallen wird, mit der Aufführung unseres Stadt-Schauspiels
Ein Haus am Meer
. Die Proben haben bereits begonnen . . .«
Sonja Svärd strahlte.
»Außerdem möchte ich darauf hinweisen . . .«
Die Rektorin redete und redete, aber Karl hörte gar nicht mehr richtig zu. Er ließ seinen Gedanken freien Lauf und ohne es selbst zu wollen, dachte er schon bald an Doktor Ekwall.
Irgendwie war auch der Arzt in die Ereignisse um das Geisterschiff Vallona verwickelt gewesen, da war Karl sich ganz sicher. Nur beweisen konnte er es nicht. Außerdem war Ekwall einer von denen, die Karl immer wieder darauf hinwiesen, dass er von außerhalb kam und nicht nach Krabbsjögrund gehörte. Mehr als einmal hatte Doktor Ekwall ihm zu verstehen gegeben, dass er ihn genau aus diesem Grund im Auge behielt. Karl wünschte, er hätte das Gespräch im Foyer nicht mit angehört. Was auch immer Doktor Ekwall vorhatte, er wollte auf keinen Fall mit hineingezogen werden.
Warum war dieser Mann ihm so unheimlich? Karl hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass sie nicht in derselben Mannschaft spielten, er und der Doktor. Und nachdem Karl davon ausging, dass er selbst zu den Guten gehörte, dann . . . tja.
». . . die einzigartigen Entwicklungsmöglichkeiten unserer Stadt«, schwafelte die Schulleiterin weiter. »Und da die Region nun ein eigenes Kasino bekommen soll, wird Krabbsjögrund eine groß angelegte Kampagne starten, damit es hier errichtet wird. Die ersten Pläne für ein neu gestaltetes Bürgerhaus liegen schon vor . . .«
»Und woher soll das Geld kommen?«, rief jemand dazwischen.
»Das dürfen wir dann mit unseren Steuern bezahlen«, schimpfte ein anderer, woraufhin sich Gemurmel unter den Erwachsenen im Publikum ausbreitete.
»Ähm«, sagte Sonja Svärd und räusperte sich. »Ich verspreche Ihnen, dass die Planungen abgeschlossen sind und auch die Finanzierung so gut wie steht. Beides werden wir Ihnen vorstellen, wenn . . . schon bald.«
Für einen Moment herrschte Stille, während die Rektorin auf der Jagd nach ihrem nächsten Stichwort hektisch in den Unterlagen blätterte. Dann fand sie ihren Faden wieder, schob sich die Brille hoch und lächelte angestrengt.
»Hiermit erkläre ich das Herbstsemester der Ankarschule für beendet und hoffe, dass wir uns alle zum großen Theaterfest an Silvester wiedersehen! Engla Forin wird uns jetzt das Weihnachtsevangelium vorlesen . . .«
Karl schielte zu Oskar und Sebastian hinüber. Oskar verdrehte die Augen, während Sebastian ein theatralisches Gähnen hinter der Hand verbarg. Weihnachtsevangelium, gab es etwas Langweiligeres?
Eine alte Frau in einem blauen Kleid mit großen weißen Blumen betrat die Bühne. Das war doch dieselbe, mit der Doktor Ekwall eben noch gesprochen hatte! Jetzt trug sie eine Brille und schlug feierlich ein Buch auf, das nur die Bibel sein konnte. Sie räusperte sich.
»Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.«
»Engla Forin? Wer ist das denn?«, fragte Karl leise.
»Weißt du das echt nicht?«, flüsterte Sara zurück. »Du weißt ja wirklich gar nichts . . . Sie ist Künstlerin. Und ein bisschen speziell. Opa sagt immer, sie hat ein Problem mit den Nerven.«
Da unterbrach Engla Forin plötzlich ihren Vortrag und ließ den Blick über das Publikum schweifen.
»Hallo, alle zusammen. Hallo, Schulkinder. So viele frohe Gesichter! So viele Träume und Fantasien . . . Fürchtet um sie.«
Sie stand ganz still und schien vollkommen überwältigt zu sein.
»Wie ihr alle wisst, soll schon bald
Ein Haus am Meer
in diesem Theater aufgeführt werden. Dieses Stück bedeutet mir sehr viel . . .« Für einen Moment schwieg Engla, ihr Lächeln erstarb und sie wurde ernst. »Es bedeutet ganz Krabbsjögrund viel. Mehr als die meisten ahnen . . . Es sind Kräfte daran beteiligt . . . Starke Kräfte . . .«
Karl sah, wie sich Doktor Ekwall hastig durch den Saal nach vorne bewegte. Aber dann stockte er mitten in der Bewegung und starrte auf die Bühne. Engla Forin sah plötzlich ganz seltsam aus. Verwirrt schaute sie sich um, ihr Blick flackerte und sie begann zu keuchen. Irgendetwas stimmte nicht.
»Ihr alle könntet in Gefahr geraten«, murmelte sie, aber so leise, dass es kaum zu hören war.
Offensichtlich bekam Engla keine Luft
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