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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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drang in ihren Mund und in ihre Kehle.
    Nun hellwach, kämpfte sie sich an die Oberfläche. Sie packte hustend und nach Luft ringend die Leiter der Badeplattform, noch immer am ganzen Leib zitternd von den Schrecken des Alptraums.
    Als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, stieg sie die Leiter hinauf. Sie taumelte auf die Plattform und sackte auf Hände und Knie. Etwas hing von ihr herab. Sie ließ den Kopf tiefer sinken. Ihr T-Shirt war vorn von oben bis unten aufgerissen. Die tropfenden Ränder schwangen hin und her. Ihre linke Brust war nackt, der Schulterträger ihres BHs baumelte vom Körbchen, das unterhalb ihrer Brust hing.
    Vicki stemmte sich hoch und ließ sich auf die Hacken sinken. Im fahlen Licht, das durch den Nebel sickerte, betrachtete sie sich. Sie presste die Lippen zusammen, während sie auf die Kratzer in der bleichen Haut ihrer Brust und ihres Bauchs starrte.
    Sie konnte nicht glauben, dass sie sich die Kratzer selbst zugefügt hatte.
    Doch ihr fiel wieder ein, dass sie schon einmal, kurz nachdem sie nach Ellsworth zurückgekommen war, ihr Nachthemd zerrissen hatte. Also musste sie das jetzt auch getan haben.
    Sie hatte nicht nur ihr T-Shirt zerrissen und ihre Haut zerkratzt, sie hatte einen so verzweifelten Kampf gegen die Dämonen ihres Alptraums geführt, dass sie in den Fluss gefallen war.
    Der Körper heilt, warum nicht die Seele?
    Konnte es sein, dass ihre Seele kränker wurde statt gesünder? Sie hatte schon zuvor entsetzliche Alpträume gehabt, aber noch nie einen, der sie dazu gebracht hatte, so was zu tun.
    Mit zitternden Fingern untersuchte sie die Kratzer. Nur die auf ihrem Bauch waren einigermaßen tief. Blutige Furchen.
    Sie zog den an ihrer Haut klebenden Stoff des BHs hoch und schob ihn auf ihre Brust. Den herabhängenden Träger stopfte sie in das Körbchen.
    Und hörte ferne, klatschende Geräusche.
    Mit einem Ruck setzte sie sich kerzengerade auf und lauschte.
    Die Geräusche schienen von hinten zu kommen. Jemand schwamm auf sie zu.
    Sie fühlte sich, als hätte man ihr in den Magen getreten.
    Das kann nicht wirklich passieren. Ich bin wach.
    Wirklich?
    Vicki sprang auf die Beine und wirbelte herum. Die Plattform schwankte heftig. Sie hielt sich an den Griffen der Leiter fest und starrte in den Nebel.
    Die Schwimmgeräusche kamen näher.
    Sie konnte über dem Rand des Floßes nur ein, zwei Meter schwarzes Wasser sehen, dann versperrten weiße Schwaden ihr den Blick.
    Sie hörte nur einen Schwimmer.
    Wer ist das? Melvin? Charlie? Einer der anderen?
    Vielleicht kamen sogar alle, der Rest von ihnen unter Wasser. Sie brauchen keine Luft, dachte sie. Sie sind tot.
    Woher wissen sie, dass ich hier bin?
    Meine Schuhe, dachte sie. Ich hab meine Schuhe und Socken am Ufer liegen lassen.
    O Gott!
    »LASST MICH IN RUHE!«, schrie sie.
    Die klatschenden Geräusche verstummten.
    »VICKI?«
    Eine Männerstimme. Irgendwie kam sie ihr vertraut vor.
    »Entschuldige«, rief die Stimme durch den Nebel. »Ich wollte dir keine Angst einjagen.«
    »Wer bist du?«
    »Paul. Paul Harrison. Wir sind mal …«
    »PAUL?«
    Er schwamm aus dem Nebel, griff mit beiden Händen nach der Leiter und sah zu Vicki auf. Sie starrte auf ihn hinab.
    »Darf ich an Bord kommen?«, fragte er.
    Vicki nickte und machte ein paar Schritte rückwärts. Ihr Herz hämmerte. Sie atmete keuchend.
    Er kletterte die Leiter herauf und stand dann vor ihr – schlank und düster im fahlen Licht, nackt bis auf eine weiße, an ihm klebende Unterhose.
    Ein Körper, den sie zahllose Male in Shorts und Badehose gesehen hatte, ein Körper, an den sie sich geschmiegt und den sie gestreichelt hatte. Vor so langer Zeit.
    So verdammt langer Zeit.
    Vicki schüttelte den Kopf. »Das ist … unmöglich.«
    »Ich hab von deinen Schwierigkeiten gehört«, sagte er. Seine Stimme klang fast genauso, wie sie sie in Erinnerung hatte. Ein bisschen tiefer, selbstbewusster. »Ich war bis gestern in Guam. Ich kam nach San Diego und hab zufällig einen alten Kumpel getroffen. Der hat es mir erzählt. Er wusste nicht, dass du es warst, aber er hat sich erinnert, dass ich ihm von einem Mädchen aus Ellsworth erzählt hatte und …« Seine Stimme wurde heiser. »O Gott, bist du okay?«
    Vicki antwortete nicht. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und schlang die Arme um ihn.
    Er hielt sie fest. Er streichelte über ihr Haar, über ihren Rücken.
    Seine Haut war nass und kalt, dann warm, wo er sie an sich drückte. Sie spürte Muskeln, wo früher nur Haut

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