Das Grab - Roman
auf.
Sie kletterte die Leiter hinauf und trat auf die Plattform. Sie schwankte leicht unter ihr.
Sie drehte sich um und sah zum Ufer zurück.
Es gab kein Ufer, nur Nebel, in dem bleich das Mondlicht schimmerte.
Sie war von Nebel umgeben, allein auf dem Floß und sicher.
Doch sie zitterte vor Kälte. Die Luft, die ihr so windstill und warm vorgekommen war, fühlte sich jetzt wie ein eisiger Hauch an, der durch ihre nassen Kleider blies.
Sie ließ sich in der Mitte des Floßes auf die Planken sinken, zog ihre Beine fest an ihren Körper und umschlang sie mit den Armen.
Sie saß da und zitterte am ganzen Leib. In einer Stunde geht die Sonne auf, dachte sie. Sie wird den Nebel verdunsten lassen, mich trocknen und wärmen.
Sie könnte auch jetzt gleich wieder ans Ufer zurückschwimmen, nach Hause joggen und ein langes, heißes Bad nehmen.
Aber sie fühlte sich gut hier.
Sie wollte nicht schon wieder weg. Sie wollte auf die Sonne warten.
Nach einer Weile schien die Kälte nachzulassen, und sie hörte auf zu zittern. Sie streckte sich flach auf der Plattform aus, das Gesicht auf ihren verschränkten Armen. Die Planken unter ihr wurden allmählich wärmer. Ihr fielen die Augen zu, doch sie riss sie schnell wieder auf. Mit dem Schlaf würden die Träume kommen.
Die Plattform schwankte sanft unter ihr. Das Wasser leckte an den Tonnen. Hin und wieder krächzte oder kreischte ein Vogel. In der Ferne sprang stotternd ein Motor an, und Vicki stellte sich einen Mann vor, der in seinem Boot zum Fischen hinausfuhr.
Ihre Lider fielen wieder zu.
Sie saß allein in einem Kanu. Ihr Gefühl sagte ihr, dass Jack bei ihr sein sollte, doch sie wusste nicht, wo er war. War er zum Schwimmen über Bord gesprungen? Die Nacht war klar, und das Mondlicht warf eine breite, silberne Bahn über das Wasser. Sie drehte das Kanu langsam herum und suchte den Fluss nach ihm ab.
Und sah in der Ferne die undeutliche Gestalt eines Schwimmers.
Sie rief, erhielt aber keine Antwort.
Der Schwimmer kam näher.
Was, wenn es nicht Jack ist?
Angst krallte sich wie eine kalte Faust um ihren Magen.
Von der anderen Seite des Kanus kamen klatschende Geräusche. Ihr Kopf ruckte herum, und sie entdeckte einen zweiten Schwimmer.
Mehr klatschende Geräusche hinter ihr. Eine weitere bleiche Gestalt pflügte durch das Wasser auf sie zu.
Eine vierte Gestalt tauchte hinter dem Bug des Kanus auf.
Eine weitere über dem Dollbord der Steuerbordseite.
O Gott! Ich muss weg!
Sie stach das Paddel ins Wasser. Es ruckte und wurde ihr aus den Händen gerissen. Es flog in hohem Bogen davon und klatschte irgendwo weit weg ins Wasser.
Hände packten das Dollbord. Das Kanu kippte. Ein Kopf tauchte auf. Sie starrte das breite Gesicht an, das tropfende, am Kopf klebende Haar, die hervorquellenden Augen, die wulstigen, grinsenden Lippen.
»Hast du dich für uns aufgespart?«, fragte Melvin.
»Nein!«, keuchte sie. »Geh weg!«
Das Kanu kippte auf die andere Seite, als sich schwarze Hände um das Dollbord hinter ihr legten. Der Kopf, der sich aus dem Wasser hob, war verkohlt und hatte keine Augen.
»Er will dich auch«, sagte Melvin. »Charlie war schon immer scharf auf dich.«
Sie begannen beide, ins Kanu zu klettern. Patricia, nackt bis auf ihre Krankenschwesterhaube, saß plötzlich auf dem Bug.
Vicki wich zurück. Hände packten ihre Knie und hielten sie fest. Die Hände von Raines und Woodman, die, beide im Wasser, lüstern über die Seiten des Kanus zu ihr herauf glotzten.
Und einer schwamm noch immer auf sie zu. Eine bleiche, nur undeutlich auszumachende Gestalt im schwarzen Wasser.
Jack?
Das musste Jack sein. Er wird mich retten.
»Jack!«, schrie sie. »Hilfe! Schnell! Sie haben mich!«
»Lasst was für mich übrig, Jungs«, hallte Jacks Stimme von dem Schwimmer herüber.
Melvin lachte.
Alle fielen über sie her. Sie warfen sie auf den Boden des Kanus. Stürzten sich auf sie, krallend, zerrend und beißend. Sie wand sich unter ihnen. Sie krümmte sich. Sie spürte, wie ihr Bauch aufgeschlitzt wurde. Jemand biss ihr in den Schenkel und die Brust. Dann war Jacks Gesicht über ihr. Es senkte sich langsam, das herabhängende Augen hin und her baumelnd, auf sie nieder. Sie spürte, wie das schleimige Auge über ihre Wange glitt, fühlte, wie sein Mund ihren bedeckte, seine Zunge gewaltsam zwischen ihre Lippen stieß. Sie wand sich, stemmte sich gegen ihn und versuchte, ihn wegzustoßen. Das Kanu kenterte.
Kaltes Wasser schwappte über Vicki zusammen,
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