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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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Angst kämpfe, werde ich immer von ihr verfolgt werden. Wenn ich vor Gott mitmeiner Angst spreche und sie zu lasse, wenn ich sie befrage, wovor ich genau Angst habe, was der eigentliche Kern meiner Angst ist, dann
     steige ich immer tiefer in meine Angst hinein. Und auf dem Grund meiner Angst kann ich einen tiefen inneren Frieden erleben. Auf dem Grund meiner Angst
     kann ich Gott erfahren als den, der mich mit meiner Angst annimmt. Ich bin mit meiner Angst in seiner guter Hand. Oder wenn ich meine Empfindlichkeit
     nehme: Ich gebe sie zu.
    Trotz meines spirituellen Weges bin ich immer noch empfindlich gegenüber Kritik, Ablehnung, Übersehenwerden. Wenn ich mich damit aussöhne, dann führt
     mich meine Empfindlichkeit immer tiefer in mein verwundetes Herz hinein, das sich nach Liebe, nach bedingungslosem Angenommenwerden sehnt. Dann erahne ich
     auf dem Grund meines wunden Herzens jemanden, der seine väterliche und mütterliche Hand über mich hält, der mich zärtlich berührt und mir sagt: »Ich bin
     bei dir. Du musst gar nicht so stark sein, wie du es gerne sein möchtest. Es ist gut so, wie du bist. Gerade als dieser Mensch bist du mir
     wertvoll. Gerade so liebe ich dich.«
Kraft aus Krisen
    W er meint, er könne alles, was er wolle, der irrt sich. Er muss erst seiner eigenen Grenze begegnen. Wer
     meint, er könne sich selbst mit seinem Willen in den Griff bekommen, der muss sich erst seinem Schatten stellen, um zu sehen, dass es in seinem Inneren
     Bereiche gibt, die sich nicht in den Griff nehmen lassen. Sie kann man nur annehmen und sich mit ihnen aussöhnen. Sie sind so mächtig, dass sie sich
     melden werden, ob wir wollen oder nicht. Und je stärker wir diese Bereiche unterdrücken, desto ungebändigter werden sie gegen uns aufstehen und unser
     bisher scheinbar so fest gefügtes Lebensgebäude über den Haufen werfen. Das Unbewusste lässt sich nicht durch Aktivismus aus der Welt schaffen. Es lässt
     sich auch nicht wegrationalisieren. Nur wenn wir den Mut haben, hinabzusteigen in das eigene Unbewusste, in den Schatten unserer Seele, nur dann werden
     wir das Unbewusste als Lebensquelle entdecken, als Quelle innerer Kraft.
Durchkreuzt
    K rise ist immer ein Durchkreuztwerden. Unser Leben geht nicht einfach so glatt weiter. Etwas kommt uns in
     die Quere, von außen oder von innen. Was uns durchkreuzt, das bricht uns auf. Aber es kann uns auch zerbrechen. Kreuz ist nicht nur ein Bild für die
     Krise, sondern auch für das Scheitern. Scheitern und Krise sind nicht identisch. Die Krise ist ein schmerzlicher Prozess, an dessen Ende neues Leben
     steht. Scheitern heißt, dass etwas zerbrochen ist. Aber dennoch haben Krise und Scheitern miteinander zu tun. Das deutsche Wort »Scheitern« kommt von
     »Scheit« und meint spalten, scheiden. Und Krise heißt auch Scheiden, Entscheiden. Im Abschied steckt das Wort »scheiden«. Wenn ich scheitere, muss ich
     Abschied nehmen von meinem alten Lebenskonzept. Mein Lebensentwurf ist gescheitert, aber nicht ich als Person. Ich kann durch das Scheitern aufgebrochen
     werden zu neuem Leben, zu meinem wahren Selbst.
    In jeder Krise muss etwas in uns sterben. Da sterben die Illusionen, die wir uns von unserem Leben gemacht haben, die Illusion, dass wir unser Leben
     selbst im Griff haben, die Illusion, dass wir durch ein angepasstes Leben allen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen, die Illusion, dass uns nichts passieren
     kann, wenn wir nur nach Gottes Geboten leben. In der Krise stirbt immer ein Stück Ego. Manche Mystiker meinen, wir müssten unser Ego vernichten, damit
     Gott in uns Raum bekommt. Doch es ist gefährlich, wenn jemand sein Ego zunichte macht. Das Leben selbst nimmt uns die Illusionen unseres Ego. Es bricht
     uns durch die Krisen und durch das Scheitern auf für Gott, aber auch für unser wahres Selbst, für das unverfälschte und einmalige Bild, das Gott sich von
     jedem von uns gemacht hat.
Standhalten
    A us den Krisen soll Kraft erwachsen. Was ist Kraft? Das altgermanische Wort »kraft« meint eigentlich
     »Geschicklichkeit, Fertigkeit, Kunst, Handwerk«. Es gehört zu einer indogermanischen Wortgruppe, die »drehen, winden, sich zusammenziehen« bedeutet. Für
     das Wort Kraft war die Vorstellung des Anspannens der Muskeln bestimmend. Aus der Krise kann eine neue Geschicklichkeit erwachsen. Ich kann lernen, mit
     meinem Leben auf neue Weise umzugehen. Es geht darum, die Kunst des Lebens zu lernen. Aber dazu ist es notwendig, dass ich meine Muskeln

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