Das große Heinz Erhardt Buch
sie wohlverwahrt in deine Manteltasche stecktest.
Während des Abendbrots täuschtest du leichtes Unwohlsein vor und gingst - jegliche Begleitung strikt ablehnend - dorthin, wo dein Mantel hing. Dort zogst du die Flasche heraus und dich dann zurück …
Schon nach ein paar Minuten kamst du in weit besserer Stimmung wieder; denn nun konntest du dich - dich auf deine Magenverstimmung berufend - weigern, den zähen Rehrücken, der dir ebenso hartnäckig auf der Zunge gelegen hatte wie die Bemerkung, du müßtest wohl ein Stück vom Geweih erwischt haben, zu Ende zu essen! Und beim Kompott, von dem die Hausfrau stolz berichtete, sie habe es persönlich eingeweckt - worauf du dir den Einwurf nicht verkneifen konntest, es sei schade, daß sie es wieder aufgeweckt habe - stattetest du abermals deiner Flasche einen nun etwas längeren Besuch ab.
Sie dankte es dir, indem sie die Stunden schneller verstreichen und deine rhetorischen Fähigkeiten in so hellem Licht erstrahlen ließ, daß deine »Zukünftige« in ebensolches Entzücken ausbrach…
Und beim Abschiednehmen passierte es dann, daß deine »Schwiegermutter« allen Ernstes zu dir sagte: »Sehen Sie, mein Lieber, es ging auch ohne Alkohol!«
Worauf auch du gingst und nie wieder eingeladen wurdest, weil, man in irgendeiner Ecke deine leere Flasche gefunden hatte …
Bei dieser Gelegenheit möchte ich betonen, daß ich die Frau, mit der ich mich wirklich, verlobte - dann sogar auch noch heiratete, und die mir so nach und nach vier Kinder schenkte, daß ich also diese Frau nicht im Suff, sondern im Fahrstuhl kennenlernte. Wir stiegen gleichzeitig im Parterre ein und drückten - welch Zufall! - beide auf dasselbe Knöpfchen.
Und - unsere gemeinsame Fahrt nach oben ist, so hoffen wir, noch nicht beendet …
Die Mitte
Ein kleines Verslein kam gegangen
und hat zu sprechen angefangen:
»Ich bin an deinem Tisch gewesen
und hab’ dein Manuskript gelesen:
der Anfang ist ein wenig schwach,
dafür läßt dann das Ende nach.
Ich sei, gewähre mir die Bitte,
in deinem Buch deshalb die Mitte!«
Wie ich zur Marine kam
Am 16. November 1941 zog ich aus; denn man zog mich ein!
Eigentlich sollte ich schon im September einrücken, aber es gelang mir, wieder auszurücken - und das kam so:
Als der Gestellungsbefehl mit der ersten Post eintraf, ging ich unbehenden Fußes zum zuständigen Wehrbezirkskommando in Berlin-Halensee. Man fragte mich, ob ich Tiere möge. »Natürlich«, sagte ich, »hauptsächlich Katzen und Hunde!« Und wie es mit Pferden sei? »Aber sicher«, antwortete ich unsicher; denn mit Pferden hatte ich bislang nichts zu tun gehabt.
»Gut! Dann also Schwere Bespannte Artillerie in Küstrin!« Na, Sie können sich ja denken, wie mir zu Mute war …
An einem herrlichen Septembertag morgens um fünf nahm ich Abschied von Weib und Kind, dann mein Pappköfferchen, darauf mich zusammen und schlich mannhaft zur S-Bahn.
Je näher der befohlene Versammlungsplatz heranrückte, desto mehr Väter, Mütter, Schwestern, Brüder, Bräute und Ehefrauen stiegen in Begleitung ihrer einrückenden Helden zu. Wir mußten richtig zusammenrücken!
Mit dem Pappkarton in der Hand und mehreren Klößen im Hals betrat ich betreten den bewußten Platz, und schon wurde ich von einem Wald- oder Wiesenwebel - es kann aber auch ein Feldwebel gewesen sein - angeschrien, wo ich denn hin wolle!!??!!
Erst zuckte ich am ganzen Körper zusammen, dann bloß mit der Schulter und zeigte ihm die Einladung, die mit den Worten begann: Sie haben sich usw. usw. »Der große Haufen da rechts!« brüllte der Webel, und ich wankte davon.
Da ich von Hause aus recht schüchtern bin, stellte ich mich ganz bescheiden ans äußerste Ende des »Haufens« und wartete. - Plötzlich stand wie aus dem Boden gestampft ein Leutnant vor uns und befahl: »Abzählen!«
Das klappte eigentlich schon ganz nett; bloß die Nummer dreizehn war abergläubisch und rief: »Zwölf a!«
Ich war der Dreiundsiebzigste und, wie gesagt, der Letzte. Kaum hatte ich meine Zahl heraus, als der Leutnant rief: »Die letzten drei wegtreten! Ich brauche nur siebzig!« Nie werde ich den traurigen Blick der Nummer Dreizehn vergessen - hatte ihm doch der dumme, dumme Aberglaube nichts geholfen …
Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Handstand machte, der sogar auf Anhieb gelang, und daß meine Frau mich lange ansah - erst ent-, dann begeistert!
Am gleichen Abend stand ich wieder strahlend
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