Das große Heinz Erhardt Buch
Rede über die Rede
Unser Dasein wird von Reden begleitet: Bei der Taufe wird der Mensch mit Reden begrüßt - und am Grabe mit Reden verabschiedet.
Wie entsteht nun eigentlich eine Rede?
Zunächst hascht man sich einen Gedanken. Das dauert oft länger, als einem lieb ist. Hat man ihn dann endlich, ist er nackt und bloß. Also muß man ihn kleiden - und zwar in Worte! Nun beginnt man im Laufe der Rede Worte zu verlieren. Dadurch fehlen sie einem bald. Deshalb muß man schleunigst nach neuen Worten suchen, bis man welche gefunden hat. Hat man endlich wieder Worte gefunden, gehen sie einem aufs neue verloren, und man muß wieder nach Worten suchen usw. usw. Ein ewiges Verlieren, Suchen und Finden ist so eine Rede, und leider steht ihre Länge meist in keinem Verhältnis zu der Länge ihrer Gedanken!
Wird man unerwartet gebeten, eine Rede zu halten, so erschrecke man nicht, sondern fasse sich. Aber kurz!
Der Einsame
Einsam irr ich durch die Gassen,
durch den Regen, durch die Nacht.
Warum hast du mich verlassen,
warum hast du das gemacht?
Nichts bleibt mir, als mich zu grämen!
Gestern sprang ich in den Bach,
um das Leben mir zu nehmen;
doch der Bach war viel zu flach.
Einsam irr ich durch den Regen,
und ganz feucht ist mein Gesicht
nicht allein des Regens wegen,
nein, davon alleine nicht.
Wo bleibt Tod in schwarzem Kleide?
Wo bleibt Tod und tötet mich?
Oder besser noch: uns beide?
Oder besser: erst mal dich?
Ballade aus Estland
Im alten Schloß zu Wesenstein,
da soll es nachts ganz finster sein.
Warum’s dort finster ist bei Nacht,
das hat noch keiner ‘rausgebracht.
Und jede Nacht um Mitternacht
die Turmuhr laut zwölf Schläge macht.
Warum das grad um Mitternacht,
das hat noch keiner ‘rausgebracht.
Ein Dichter, dem man’s hinterbracht,
hat hieraus dies Gedicht gemacht.
Warum er dies Gedicht gemacht,
das hat noch keiner ‘rausgebracht.
Das Blümchen *
Im Walde ist ein Plätzchen,
ein Plätzchen wunderschön.
Beim Plätzchen steht ein Bänkchen,
das möcht ich wiedersehn.
Beim Bänkchen wächst ein Blümchen,
ein Blümchen, weiß und rot,
das möcht ich gerne pflücken;
denn morgen ist es tot.
Ich will’s ins Wasser legen,
bis daß es fast ertrinkt,
und es so lange hegen,
bis Mutti sagt: »Es stinkt!«
* Dieses Gedicht schrieb der Autor mit 6 Jahren.
Der Vielaß
Ach, ein Unglück ohne Frage
ist das Essen, doch bei Tage
kann der Mensch nicht ohne dem
sein, und das ist unbequem.
Durch des Mundes enge Schleuse
zwängt mit Mühe man die Speise,
bis sie - klein und weich zerlutscht -
tiefer in den Magen rutscht.
Bald bemerkt man, nicht erheitert,
daß der Bauch sich stark erweitert,
und mit sauerem Gesicht
stellt man fest, daß das Gewicht
sich bedenklich hat verschoben
und zwar leidergotts nach oben.
Moral:
Alles im Leben geht natürlich zu, nur die Hose
geht natürlich nicht zu!
Fußball
Vierundvierzig Beine rasen
durch die Gegend ohne Ziel,
und weil sie so rasen müssen,
nennt man das ein Rasenspiel.
Rechts und links stehn zwei Gestelle,
je ein Spieler steht davor.
Hält den Ball er, ist ein Held er,
hält er nicht, schreit man: »Du Toooor!«
Fußball spielt man meistens immer
mit der unteren Figur.
Mit dem Kopf, obwohl’s erlaubt ist,
spielt man ihn ganz selten nur.
Überlistet
Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
die Tage täglich sich verkürzen,
wenn Amsel, Drossel, Fink und Meisen
die Koffer packen und verreisen,
wenn all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben - so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!
Ich laß ihn stehn!
Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt
und gut abgeschlossen!
Er kann nicht ‘rein!
Ich hab ihn angeschmiert!
Nun steht der Winter vor der Tür –-
und friert!
Ein Ostergedicht
Wer ahnte, daß zum Weihnachtsfest
Cornelia mich sitzenläßt?
Das war noch nichts: zu Ostern jetzt
hat sie mich abermals versetzt!
Nun freu ich mich auf Pfingsten -
nicht im geringsten!
Eine verfahrene Geschichte
Ich sah dich in der Straßenbahn,
sah dich von allen Seiten an,
doch du, mein Schatz, du machtest dir nichts draus!
Ich bot dir meinen Sitzplatz an,
weil ich ja auch mal stehen kann,
doch du, du sagtest »danke« und stiegst aus!
Dies »danke«, oh, gab mir den Rest…
Du bist’s, die mich nicht schlafen läßt!
Nun fahr ich mit der Straßenbahn,
wann immer ich nur fahren kann,
doch leider, Schätzchen, treffe ich dich nie!
Mich fragte schon die Schaffnerin,
ob ich wohl nicht bei Tröste bin,
doch was,
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