Das große Hörbe Buch
einen gewaltigen Platsch. Und der Hutzelmann wurde hinabgestrudelt in kalte schwarze, brodelnde Wasserfluten.
Wasser, Wasser. Schwarzes, kaltes, brodelndes, brüllendes, tosendes, strudelndes, gurgelndes schwarzes Wasser. Überall Wasser, Wasser und nichts als Wasser.
Hörbe war so erschrocken, dass er sich steif und starr machte wie ein Holzscheit.
Er wurde vom Strudel hinabgedrückt in die schwarze Tiefe, er wurde herumgewirbelt, er wurde hinumgewir-belt, emporgehoben, im nächsten Augenblick wieder hinabgerissen.
Bald wusste er nicht mehr, wo unten und oben, wo rechts und links war.
Er wollte um Hilfe rufen - und schluckte Wasser.
Es wurde ihm schwindlig, es wurde ihm übel, es wurde ihm sterbensangst.
Noch zwei Mal wirbelten ihn die Fluten empor ans Tageslicht. Nur gerade so weit hinauf, dass er Luft schnap pen konnte, bevor es aufs Neue hinabging.
Beim dritten Auftauchen hatte Hörbe schon so viel Ra benbachwasser geschluckt, dass an Luftschnappen nicht mehr zu denken war - da packte ihn jemand beim Kragen, mit hartem Griff.
Ein Ruck und ein Zuck ...
„Der Plampatsch! Jetzt hat er mich doch erwischt!"
Hörbe bekommt einen Riesenschrecken, darauf ist er nicht gefasst gewesen.
Er spürt noch, wie er im hohen Bogen ein Stück durch die Luft fliegt.
Er spürt noch, gerade noch, wie er auf etwas Weichem landet. Auf etwas Weichem und Trockenem.
Danach spürt er überhaupt nichts mehr.
Nicht einmal Angst verspürt er.
Er hört nichts, er sieht nichts, er fühlt nichts. Stille umgibt ihn mit einem Mal. Undurchdringliche, pechrabenschwarze Stille - ungefähr so:
Die Stille hielt an. Und die Schwärze auch. Schwer zu sagen, ob Hörbe vor Schreck in Ohnmacht gefallen war oder aus Atemnot - jedenfalls wusste er eine Zeit lang nichts mehr von sich und der übrigen Welt. Auch vom Plampatsch und von den Worlitzer Wäldern nicht.
Dann begann sich die Schwärze ein wenig aufzuhellen. Wie schwarze Tinte, in die sich allmählich Wasser mischt, mehr und mehr.
Von weit her ließ sich ein leises, unbestimmbares Rauschen und Brausen hören, das langsam anschwoll. Und schließlich, nach einer guten Weile, besann sich Hörbe zu seinem Erstaunen wieder darauf, dass er Hörbe war: Hörbe mit dem großen Hut aus dem Siebengiebelwald.
Der Kopf tat ihm weh, der Rücken schmerzte ihn, Arme und Beine waren wie ausgeleiert.
Hörbe begriff, dass er noch am Leben war. Noch hatte der Plampatsch ihn also nicht aufgefressen.
„Ob ich mich tot stelle? - Ob ich mich umgucke?"
Hörbe blinzelte vorsichtig-vorsichtig unter halb geschlossenen Lidern hervor.
Es zeigte sich, dass er auf einem Haufen von dürren Zweigen und welken Blättern gelandet war.
In der Richtung, aus der das Rauschen und Brausen herkam, erblickte er einen Wasserfall, der sich von einer steilen Felswand herabstürzte.
„Und das soll ich überlebt haben?" Hörbe wurde es bei dem bloßen Gedanken zweierlei.
Und dann sah er den Plampatsch.
Der Plampatsch (falls es der Plampatsch war) hockte auf einem Stein in der Sonne, keine sechs Hutzelmannsschritte
von Hörbe entfernt, und blickte aus kleinen lustig funkelnden Augen zu ihm herüber.
„Augen wie Feuerräder sind das ja nicht gerade!" - das war das Erste, was Hörbe auffiel.
Und dann fiel ihm auf, dass das fremde Wesen, das ihm da gegenübersaß, keineswegs halb wie ein Wolf und halb wie ein Drache aussah. Eher nahm es sich aus wie ein Hutzelmann - jedenfalls dem Gesicht und der Größe nach. Allerdings hatte es einen schwarzen Zottelpelz und hintendran einen langen Schwanz.
Hörbe glaubte nicht recht zu sehen, er rieb sich die Augen.
„Endlich!" Die Stimme des Unbekannten hörte sich merkwürdig hoch und ein bisschen quäkig an. „Ich hab schon gedacht, du bist hin."
„Das könnte dir wohl so passen!", rief Hörbe. „Wer bist du eigentlich?"
„Sag mir lieber, wer du bist."
„Ich hab zuerst gefragt!"
„Und ich hab dich aus dem Wasser gezogen, vergiss das nicht! Ohne mich wärst du jetzt mausetot."
„Schön", sagte Hörbe und setzte sich auf. „Ich bin Hörbe, Hörbe mit dem großen Hut. Und du?"
„Rate mal! Wetten, dass du es nicht herauskriegst? Ich bin Zwottel, der Zottelschratz mit dem Zottelpelz und dem Zi-Za-Zottelschwanz. - Bist du auch ein Waldschratz?"
„Ich?", sagte Hörbe. „Ich bin ein Hutzelmann."
„Donnerwetter, ein Brutzelmann! Und was brutzelst du so zusammen?"
„Gar nichts", erwiderte Hörbe. „Du kannst wohl nicht richtig hören? Ich bin kein
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