Das große Hörbe Buch
haben", räumte Zwottel ein. „Aber für mich ist die Sache von jetzt an klar. Mag sich der Plampatsch aufhalten, wo er will; mag er fressen, wonach ihm der Appetit steht: Dich und mich soll er jedenfalls nicht vor die Zähne kriegen - so wahr ich der Zi-Za-Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern bin!"
Wenn Hutzelmannshüte nach allen Regeln der Hutzel-mannshutmacherkunst gemacht sind, fallen sie ihrem Besitzer niemals vom Kopf. Selbst dann nicht, wenn ihn ein Wasserfall in die Tiefe reißt und der Rabenbach ihn hinabstrudelt in die schwärzesten Fluten. Der Hut sitzt auch dann wie angewachsen, der Hut bleibt drauf. Und alles, was drunter ist, unter dem echten Hutzelmannshut: Das bleibt, wie sich jedermann denken kann, völlig trocken.
„Eigentlich", sagte Hörbe nach einer Weile zu Zwottel -„eigentlich könnten wir jetzt einen Happen essen."
Er holte das Vesperbündel unter dem Hut hervor und knüpfte es auf. Dann brach er den Rest des Wanderbrots in der Mitte durch und reichte die eine Hälfte dem Zottelschratz.
„Lass dir's schmecken, Zwottel!"
Zwottel schnupperte an dem Brot, er drehte es unschlüssig hin und her.
„Kann man das wirklich essen?"
„Ich habe es selbst gebacken. Koste mal!"
Zwottel Zottelschratz biss einen Brocken ab und kaute darauf herum.
„Nicht übel... Was ist das eigentlich?"
„Brot", sagte Hörbe. „Hutzelmannsbrot, um genau zu sein. - Du tust ja, als wüsstest du nicht, was Brot ist."
„Brot heißt das, sagst du?"
„Hutzelmannsbrot", sagte Hörbe. „Aus Mehl gebacken, das aus den Körnern von Waldgras gemahlen ist."
Zwottel verdrehte die Augen und schmatzte.
„Ts-ts-tsss ... So was Gutes hab ich mein Lebtag noch nicht gegessen ..."
„Nein?", fragte Hörbe.
„Nein", sagte Zwottel. „Unsereins, musst du wissen, ernährt sich von Beeren und Pilzen, von Haselnüssen und Bucheckern. Notfalls auch mal von Baumrinde, wenn man sonst nix hat. Aber Brot... Ich muss sagen: Brot - das schmeckt besser als alles zusammen, was unsereins zu beißen kriegt..."
Sie aßen, so lang der Vorrat reichte. Sorgfältig pickte Zwottel die Krümel auf.
„Weißt du was?", bat er Hörbe. „Du musst mir das beibringen, Hutzelmann, wie man aus Körnern Brot bäckt! Was braucht man dazu?"
„Man braucht einen Backofen", sagte Hörbe. „Der Backofen ist das Wichtigste."
„Einen Backofen? Was ist das nun wieder?"
„Ein Ofen, worin man Brot bäckt. Aus Ziegelsteinen gebaut und mit Lehm verschmiert, dass er dicht hält."
„Allmählich verstehe ich überhaupt nix mehr", stöhnte Zwottel. „Was ist überhaupt ein Ofen? Kannst du mir das erklären, Hutzelmann?"
„Sag mir bloß, Zwottel, dass du in deinem Haus keinen Ofen hast!"
„Ich?", rief der Zottelschratz. „Seh ich vielleicht so aus, als ob ich ein Haus hätte? Unsereins hat kein Haus, unsereins braucht kein Haus. Unsereins lebt unter freiem Himmel."
„Und wenn es regnet? Und wenn es schneit?"
„Ganz einfach! Dann sucht sich unsereins einen Unterschlupf - eine Baumhöhle, einen leeren Fuchsbau. Irgendwas findet sich irgendwo immer für unsereins. Dazu muss man kein Haus haben, Hutzelmann!"
Nun saßen sie eine Zeit lang nebeneinander, der Hutzelmann aus dem Siebengiebelwald und der Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern, und beide hingen ihren Gedanken nach.
„Ohne Haus?", dachte Hörbe. „Das wäre kein Leben für mich! Man muss doch ein Dach überm Kopf haben. Und man braucht einen Ofen, damit es im Winter warm ist. Und Vorräte braucht man, sonst müsste man in der kalten Jahreszeit ja verhungern ..."
Der Wasserfall rauschte, der Wasserfall brauste, die Sonne trocknete Hörbes Kleider.
„Übrigens ...", sagte Zwottel nach einer Weile. „Übrigens lebe ich ganz allein hier. Du musst nämlich wissen, dass ich der einzige Zottelschratz weit und breit bin. Der
Allereinzigste in den Wi-Wa-Worlitzer Wäldern und drum herum."
„So, so", meinte Hörbe.
„Und du?", wollte Zwottel wissen. „Wie ist das mit dir? Bist du auch allein - oder gibt's dort noch andre von deiner Sorte, im Siebengiebelwald?"
„Wir sind dreizehn."
„Dreizehn?" Der Zottelschratz schlug die Hände zusammen. „Da müsst ihr ja übereinander stolpern, wenn ihr nicht aufpasst!"
„Das nicht gerade. Aber man kennt sich natürlich, man sieht sich von Zeit zu Zeit. Und vor allem: Man hält zusammen."
„Wie macht ihr das?", fragte Zwottel.
„Nun ja", meinte Hörbe. „Kein Hutzelmann wird einen andern Hutzelmann je im Stich lassen. Wenn
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