Das große Hörbe Buch
dem Gugelhupf. Wer Bescheid weiß, dem fällt es nicht schwer, den oberen Hut vom unteren abzuziehen. Ein Griff an die Krempe, ein leichter Ruck mit zwei Fingern - und fertig! Ganz einfach geht das, ganz schnell. So schnell, dass es kaum zu fassen ist.
Zurück an die Rabenteiche!
Hörbe steht ratlos am Ufer, die Ameisen wimmeln von allen Seiten heran: Er steckt in der Falle, es gibt kein Entrinnen mehr.
Da besinnt er sich auf den großen Hut. Er greift an die Krempe, er tut den bewussten Ruck - schon hält er den Obendrüberhut in der Hand. Und nun dehnt er ihn auseinander, so weit er kann.
Er dehnt ihn nach allen Seiten, bis er so groß und geräumig ist wie ein Amselnest. Dann wirft er den Hut ins Wasser und springt hinein.
„Damit habt ihr wohl nicht gerechnet, wie?" Hörbe sitzt nun im Obendrüberhut wie in einem Boot.
Da Ameisen stumm sind, können sie weder schreien noch fluchen. Wenn sie es könnten, hätten sie es bestimmt getan. Ein paar von ihnen, die Vordersten, springen Hörbe nach, sie wollen sich an der Krempe des Hutes festklammern.
„Nichts da!"
Der Hutzelmann greift nach dem Wanderstecken und klopft ihnen auf die Fühler.
„Macht, dass ihr wegkommt!"
Die Ameisen plumpsen ins Wasser, sie strampeln ans Ufer zurück.
„Jetzt könnt ihr mir alle gestohlen bleiben!", ruft ihnen Hörbe nach. „Fresst auf, meine Herrschaften, wen ihr wollt und kriegt - ich empfehle mich!"
Wenn das nicht Rettung aus höchster Not gewesen war! Hörbe merkte erst jetzt, dass er kaum noch japsen konnte. Ein Glück, dass er die gefräßigen Biester los war! Er fühlte sich höchst erleichtert - und hundemüde. War es ein Wunder?
Er ruderte mit dem Wanderstecken aufs Wasser hinaus. Als dann das Ufer weit genug hinter ihm lag, machte er sich's im Boot gemütlich. Er legte sich auf den Rücken und streckte sich aus: Das hatte er sich verdient.
Hörbe lehnte den Kopf an die Innenkrempe des Hutes, die Beine ließ er am gegenüberliegenden Hutrand hinausbaumeln übers Wasser.
Das war schön. Das tat wohl, nach der Flucht durch das Heidekraut.
„Wie gut, dass ich weiß, wie man Hutzelmannshüte macht. Und erst recht, dass ich meinen doppelten Hut erfunden habe! Der Doppelhut hat mir das Leben gerettet..."
Hörbe gähnte ein paarmal aus tiefster Hutzelmannsseele, er schloss die Augen.
Das Wasser der Rabenteiche wiegte ihn sanft und still in den Schlaf.
Er träumte von weiter nichts, als dass er zufrieden und wohlbehalten in seinem Hut lag und schlief. Es war still ringsum. Alles war warm und gut. Und ein wenig rötlich. Und sehr, sehr angenehm ...
Wie lang er geschlafen hatte, wusste er hinterher nicht zu sagen.
Als er die Augen aufschlug, schaute er in den blauen Himmel. Ganz oben am Firmament erblickte er eine winzige weiße Wolke. Sah sie nicht aus wie ein Flöckchen Wollgras?
„Grüß dich!", rief er hinauf und winkte dem Wölkchen zu. Ein bisschen verschlafen, ein bisschen, als sei er noch nicht ganz da.
Das Flöckchen Wollgras am Firmament begann sich langsam im Kreis zu drehen, als wollte es Hörbes Gruß erwidern.
„Nanu?", staunte Hörbe.
Das Wölkchen drehte sich weiter, immer im Kreis herum, immer im Kreis herum.
„Seltsam", dachte der Hutzelmann. „Seltsam ..."
Er schob sich den Untendrunterhut aus der Stirn und schaute zum Ufer hinüber: Das Ufer drehte sich auch.
Das Ufer ... ?
Er selbst war es, der sich unablässig im Kreis herumdrehte - nein, der Hut!
Der Obendrüberhut drehte sich auf dem Wasser, er drehte sich, drehte sich, drehte sich ohne Unterlass, immer im Kreis herum.
„Was, zum Donnerwetter, bedeutet das?"
Während Hörbe geschlafen hatte, war er in eine Strö mung geraten: Die hatte den Hut erfasst - und nun zog sie ihn samt dem Hutzelmann mit sich fort.
Übrigens ging es nicht einfach im Kreis herum, wie Hörbe zunächst gemeint hatte: Es ging ständig kreiselnd dem anderen Ufer zu.
Ach du großer Schreck!
Hörbe tauchte den Wanderstecken ins Wasser, er ruderte gegen die Strömung an.
Vergebens!
Zwölf Hutzelmänner hätten den Hut mit vereinten Kräften nicht abbringen können von seinem Kurs: Er trieb weiter und weiter - immer der Strömung nach, unaufhaltsam zum anderen Ufer hinüber, den Worlitzer Wäldern zu.
Die Worlitzer Wälder, in denen der Plampatsch hauste! Kein Hutzelmann aus dem Siebengiebelwald hatte sie je betreten, aus gutem Grund nicht. Den Plampatsch hatte zwar keiner von ihnen je zu Gesicht bekommen, selbst von ferne nicht - aber
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