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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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an und sang
    „Dreiäuglein, wachst du?“
    Aber statt dass es nun singen musste
    „Dreiäuglein, schläfst du?“
    sang es aus Unbedachtsamkeit
    „Zweiäuglein, schläfst du?“
    und sang immer
    „Dreiäuglein, wachst du?
    Zweiäuglein, schläfst du?“
    Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu und schliefen, aber das dritte, weil es von dem Sprüchlein nicht angeredet war, schlief nicht ein. Zwar tat es Dreiäuglein zu, aber nur aus List, gleich als schlief es auch damit: doch blinzelte es und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein
    „Zicklein, meck,
    Tischlein, deck,“
    aß und trank nach Herzenslust und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen,
    „Zicklein, meck,
    Tischlein, weg,“
    und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, weckte es und sprach „ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm, wir wollen heim gehen.“ Und als sie nach Haus kamen, aß Zweiäuglein wieder nicht, und Dreiäuglein sprach zur Mutter „ich weiß nun warum das hochmüthige Ding nicht isst: wenn sie draußen zur Ziege spricht
    „Zicklein, meck,
    Tischlein, deck,“
    so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser als wirs hier haben: und wenn sie satt ist, so spricht sie
    „Zicklein, meck,
    Tischlein, weg,“
    und alles ist wieder verschwunden; ich habe alles genau mit angesehen. Zwei Augen hatte sie mir mit einem Sprüchlein eingeschläfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Glück wach geblieben.“ Da rief die neidische Mutter „willst dus besser haben, als wir? die Lust soll dir vergehen!“ Sie holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, dass sie tot hinfiel.
    Als Zweiäuglein das sah, ging es voll Trauer hinaus, setzte sich auf den Feldrain und weinte seine bitteren Tränen. Da stand auf einmal die weise Frau wieder neben ihm und sprach „Zweiäuglein, was weinst du?“ „Soll ich nicht weinen!“ antwortete es, „die Ziege, die mir jeden Tag, wenn ich euer Sprüchlein hersagte, den Tisch so schön deckte, ist von meiner Mutter tot gestochen; nun muss ich wieder Hunger und Kummer leiden.“ Die weise Frau sprach „Zweiäuglein, ich will dir einen guten Rat erteilen, bitt deine Schwestern dass sie dir das Eingeweide von der geschlachteten Ziege geben und vergrab es vor der Haustür in die Erde, so wirds dein Glück sein.“ Da verschwand sie, und Zweiäuglein ging heim und sprach zu den Schwestern „liebe Schwestern, gebt mir doch etwas von meiner Ziege, ich verlange nichts Gutes, gebt mir nur das Eingeweide.“ Da lachten sie und sprachen „kannst du haben, wenn du weiter nichts willst.“ Und Zweiäuglein nahm das Eingeweide und vergrubs Abends in aller Stille nach dem Rathe der weisen Frau vor die Haustüre.
    Am andern Morgen, als sie insgesammt erwachten und vor die Haustüre traten, so stand da ein wunderbarer prächtiger Baum, der hatte Blätter von Silber, und Früchte von Gold hingen dazwischen, dass wohl nichts schöneres und köstlicheres auf der weiten Welt war. Sie wussten aber nicht wie der Baum in der Nacht dahin gekommen war, nur Zweiäuglein merkte, dass er aus den Eingeweiden der Ziege aufgewachsen war, denn er stand gerade da, wo es sie in die Erde begraben hatte. Da sprach die Mutter zu Einäuglein „steig hinauf, mein Kind und brich uns die Früchte von dem Baume ab.“ Einäuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Äpfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Händen: und das geschah jedesmal, so dass es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mochte sich anstellen wie es wollte. Da sprach die Mutter „Dreiäuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen als Einäuglein.“ Einäuglein rutschte herunter und Dreiäuglein stieg hinauf. Aber Dreiäuglein war nicht geschickter und mochte schauen wie es wollte, die goldenen Äpfel wichen immer zurück. Endlich ward die Mutter ungeduldig und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig wie Einäuglein und Dreiäuglein die Frucht fassen und griff immer in die leere Luft. Da sprach Zweiäuglein „ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mirs eher.“ Die Schwestern riefen zwar „du, mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!“ Aber Zweiäuglein stieg hinauf, und die goldenen Äpfel zogen sich nicht vor ihm zurück, sondern ließen sich von selbst in seine Hand herab, also dass es einen nach dem

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