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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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erblickte er zwei Engel, die einen Balken wegtrugen. Es war der Balken, den einer im Auge gehabt hatte, während er nach dem Splitter in den Augen anderer suchte. Sie trugen aber den Balken nicht der Länge nach, sondern queer. „Hat man je einen solchen Unverstand gesehen?“ dachte Meister Pfriem; doch schwieg er und gab sich zufrieden: „es ist im Grunde einerlei, wie man den Balken trägt, gerade aus oder queer, wenn man nur damit durchkommt, und wahrhaftig ich sehe sie stoßen nirgend an.“ Bald hernach erblickte er zwei Engel, welche Wasser aus einem Brunnen in ein Fass schöpften, zugleich bemerkte er, dass das Fass durchlöchert war und das Wasser von allen Seiten herauslief. Sie tränkten die Erde mit Regen. „Alle Hagel!“ platzte er heraus, besann sich aber glücklicherweise und dachte „vielleicht ists bloßer Zeitvertreib; machts einem Spaß, so kann man dergleichen unnütze Dinge tun, zumal hier im Himmel, wo man, wie ich schon bemerkt habe, doch nur faullenzt.“ Er ging weiter und sah einen Wagen, der in einem tiefen Loch stecken geblieben war. „Kein Wunder,“ sprach er zu dem Mann, der dabei stand, „wer wird so unvernünftig aufladen? was habt ihr da?“ „Fromme Wünsche,“ antwortete der Mann, „ich konnte damit nicht auf den rechten Weg kommen, aber ich habe den Wagen noch glücklich herauf geschoben, und hier werden sie mich nicht stecken lassen.“ Wirklich kam ein Engel und spannte zwei Pferde vor. „Ganz gut,“ meinte Pfriem, „aber zwei Pferde bringen den Wagen nicht heraus, viere müssen wenigstens davor.“ Ein anderer Engel kam und führte noch zwei Pferde herbei, spannte sie aber nicht vorn sondern hinten an. Das war dem Meister Pfriem zu viel. „Talpatsch,“ brach er los, „was machst du da? hat man je, so lange die Welt steht, auf diese Weise einen Wagen herausgezogen? Da meinen sie aber in ihrem dünkelhaften Übermut alles besser zu wissen.“ Er wollte weiter reden, aber einer von den Himmelsbewohnern hatte ihn am Kragen gepackt und schob ihn mit unwiderstehlicher Gewalt hinaus. Unter der Pforte drehte der Meister noch einmal den Kopf nach dem Wagen und sah wie er von vier Flügelpferden in die Höhe gehoben ward.
    In diesem Augenblick erwachte Meister Pfriem. „Es geht freilich im Himmel etwas anders her, als auf Erden,“ sprach er zu sich selbst, „und da lässt sich manches entschuldigen, aber wer kann geduldig mit ansehen dass man die Pferde zugleich hinten und vorn anspannt? freilich sie hatten Flügel, aber wer kann das wissen? Es ist übrigens eine gewaltige Dummheit Pferden, die vier Beine zum Laufen haben, noch ein paar Flügel anzuheften. Aber ich muss aufstehen, sonst machen sie mir im Haus lauter verkehrtes Zeug. Es ist nur ein Glück, dass ich nicht wirklich gestorben bin.“
     
     
     

Die Gänsehirtin am Brunnen
    Es war einmal ein steinaltes Mütterchen, das lebte mit seiner Herde Gänse in einer Einöde zwischen Bergen und hatte da ein kleines Haus. Die Einöde war von einem großen Wald umgeben, und jeden Morgen nahm die Alte ihre Krücke und wackelte in den Wald. Da war aber das Mütterchen ganz geschäftig, mehr als man ihm bei seinen hohen Jahren zugetraut hatte, sammelte Gras für seine Gänse, brach sich das wilde Obst ab, so weit es mit den Händen reichen konnte, und trug alles auf seinem Rücken heim. Man hätte meinen sollen die schwere Last müsste sie zu Boden drücken, aber sie brachte sie immer glücklich nach Haus. Wenn ihr jemand begegnete, so grüßte sie ganz freundlich, „guten Tag, lieber Landsmann, heute ist schönes Wetter. Ja, ihr wundert euch dass ich das Gras schleppe, aber jeder muss seine Last auf den Rücken nehmen.“ Doch die Leute begegneten ihr nicht gerne und nahmen lieber einen Umweg, und wenn ein Vater mit seinem Knaben an ihr vorüberging, so sprach er leise zu ihm „nimm dich in Acht vor der Alten, die hats faustdick hinter den Ohren: es ist eine Hexe.“
    Eines Morgens ging ein hübscher junger Mann durch den Wald. Die Sonne schien hell, die Vögel sangen, und ein kühles Lüftchen strich durch das Laub, und er war voll Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, als er plötzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf den Knien saß und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, und daneben standen zwei Körbe, die mit wilden Birnen und Äpfeln angefüllt waren. „Aber, Mütterchen,“ sprach er, „wie kannst du das alles fortschaffen?“

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