Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
wo sie sonst hin versteckt waren, hervor. Da kam die ganze grobe, schmutzige, grindige und rußige Schaar. Der Herr lächelte, betrachtete sie alle und sprach „auch diese will ich segnen.“ Er legte auf den ersten die Hände und sprach zu ihm „du sollst werden ein Bauer,“ zu dem zweiten „du ein Fischer,“ zu dem dritten „du ein Schmied,“ zu dem vierten „du ein Lohgerber,“ zu dem fünften „du ein Weber,“ zu dem sechsten „du ein Schuhmacher,“ zu dem siebenten „du ein Schneider,“ zu dem achten „du ein Töpfer,“ zu dem neunten „du ein Karrenführer,“ zu dem zehnten „du ein Schiffer,“ zu dem elften „du ein Bote,“ zu dem zwölften „du ein Hausknecht dein Lebelang.“
Als Eva das alles mit angehört hatte, sagte sie „Herr, wie Teilst du deinen Segen so ungleich! Es sind doch alle meine Kinder, die ich geboren habe: deine Gnade sollte über alle gleich ergehen.“ Gott aber erwiederte „Eva, das verstehst du nicht. Mir gebührt und ist Not dass ich die ganze Welt mit deinen Kindern versehe: wenn sie alle Fürsten und Herrn wären, wer sollte Korn bauen, dreschen, malen und backen? wer schmieden, weben, zimmern, bauen, graben, schneiden und nähen? Jeder soll seinen Stand vertreten, dass einer den andern erhalte und alle ernährt werden wie am Leib die Glieder.“ Da antwortete Eva „ach, Herr, vergib, ich war zu rasch, dass ich dir einredete. Dein göttlicher Wille geschehe auch an meinen Kindern.“
Die Nixe im Teich
Es war einmal ein Müller, der führte mit seiner Frau ein vergnügtes Leben. Sie hatten Geld und Gut, und ihr Wohlstand nahm von Jahr zu Jahr noch zu. Aber Unglück kommt über Nacht: wie ihr Reichtum gewachsen war, so schwand er von Jahr zu Jahr wieder hin, und zuletzt konnte der Müller kaum noch die Mühle, in der er saß, sein Eigentum nennen. Er war voll Kummer, und wenn er sich nach der Arbeit des Tags nieder legte, so fand er keine Ruhe, sondern wälzte sich voll Sorgen in seinem Bett. Eines Morgens stand er schon vor Tagesanbruch auf, ging hinaus ins Freie und dachte es sollte ihm leichter ums Herz werden. Als er über dem Mühldamm dahin schritt, brach eben der erste Sonnenstrahl hervor, und er hörte in dem Weiher etwas rauschen. Er wendete sich um und erblickte ein schönes Weib, das sich langsam aus dem Wasser erhob. Ihre langen Haare, die sie über den Schultern mit ihren zarten Händen gefasst hatte, flossen an beiden Seiten herab und bedeckten ihren weißen Leib. Er sah wohl dass es die Nixe des Teichs war und wusste vor Furcht nicht ob er davon gehen oder stehen bleiben sollte. Aber die Nixe ließ ihre sanfte Stimme hören, nannte ihn bei Namen und fragte warum er so traurig wäre. Der Müller war anfangs verstummt, als er sie aber so freundlich sprechen hörte, fasste er sich ein Herz und erzählte ihr dass er sonst in Glück und Reichtum gelebt hätte, aber jetzt so arm wäre, dass er sich nicht zu raten wüsste. „Sei ruhig,“ antwortete die Nixe, „ich will dich reicher und glücklicher machen als du je gewesen bist, nur musst du mir versprechen dass du mir geben willst was eben in deinem Hause jung geworden ist.“ „Was kann das anders sein,“ dachte der Müller, „als ein junger Hund oder ein junges Kätzchen?“ und sagte ihr zu was sie verlangte. Die Nixe stieg wieder in das Wasser hinab, und er eilte getröstet und gutes Mutes nach seiner Mühle. Noch hatte er sie nicht erreicht, da trat die Magd aus der Haustüre und rief ihm zu er sollte sich freuen, seine Frau hätte ihm einen kleinen Knaben geboren. Der Müller stand wie vom Blitz gerührt, er sah wohl dass die tückische Nixe das gewusst und ihn betrogen hatte. Mit gesenktem Haupt trat er zu dem Bett seiner Frau, und als sie ihn fragte „warum freust du dich nicht über den schönen Knaben?“ so erzählte er ihr was ihm begegnet war und was für ein Versprechen er der Nixe gegeben hatte. „Was hilft mir Glück und Reichtum,“ fügte er hinzu, „wenn ich mein Kind verlieren soll? aber was kann ich tun?“ Auch die Verwandten, die herbeigekommen waren, Glück zu wünschen, wussten keinen Rath.
Indessen kehrte das Glück in das Haus des Müllers wieder ein. Was er unternahm gelang, es war als ob Kisten und Kasten von selbst sich füllten und das Geld im Schrank über Nacht sich mehrte. Es dauerte nicht lange, so war sein Reichtum größer als je zuvor. Aber er konnte sich nicht ungestört darüber freuen: die Zusage, die er der Nixe getan hatte, quälte sein
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