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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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später Stunde die Arbeit an? was habt ihr vor?“ „weißt du denn welche Stunde es ist?“ fragte die Alte. „Noch nicht Mitternacht,“ antwortete das Mädchen, „aber schon elf Uhr vorbei?“ „Denkst du nicht daran,“ fuhr die Alte fort, „dass du heute vor drei Jahren zu mir gekommen bist? Deine Zeit ist aus, wir können nicht länger beisammen bleiben.“ Das Mädchen erschrack und sagte „ach, liebe Mutter, wollt ihr mich verstoßen? wo soll ich hin? ich habe keine Freunde und keine Heimath, wohin ich mich wenden kann. Ich habe alles getan was ihr verlangt habt, und ihr seid immer zufrieden mit mir gewesen: schickt mich nicht fort.“ Die Alte wollte dem Mädchen nicht sagen was ihm bevorstand. „Meines Bleibens ist nicht länger hier,“ sprach sie zu ihm, „wenn ich aber ausziehe, muss Haus und Stube sauber sein: darum halt mich nicht auf in meiner Arbeit. Deinetwegen sei ohne Sorgen, du sollst ein Dach finden, unter dem du wohnen kannst, und mit dem Lohn, den ich dir geben will, wirst du auch zufrieden sein.“ „Aber sagt mir nur was ist vor?“ fragte das Mädchen weiter. „Ich sage dir nochmals störe mich nicht in meiner Arbeit. Rede kein Wort weiter, geh in deine Kammer, nimm die Haut vom Gesicht und zieh das seidene Kleid an, das du trugst als du zu mir kamst, und dann harre in deiner Kammer, bis ich dich rufe.“
    Aber ich muss wieder von dem König und der Königin erzählen, die mit dem Grafen ausgezogen waren und die Alte in der Einöde aufsuchen wollten. Der Graf war nachts in dem Walde von ihnen abgekommen, und musste allein weiter gehen. Am andern Tag kam es ihm vor, als befände er sich auf dem rechten Weg. Er ging immer fort, bis die Dunkelheit einbrach, da stieg er auf einen Baum und wollte da übernachten, denn er war besorgt er möchte sich verirren. Als der Mond die Gegend erhellte, so erblickte er eine Gestalt, die den Berg herabwandelte. Sie hatte keine Ruthe in der Hand, aber er konnte doch sehen dass es die Gänsehirtin war, die er früher bei dem Haus der Alten gesehen hatte. „Oho!“ rief er, „da kommt sie, und habe ich erst die eine Hexe, so soll mir die andere auch nicht entgehen.“ Wie erstaunte er aber, als sie zu dem Brunnen trat, die Haut ablegte und sich wusch, als die goldenen Haare über sie herabfielen, und sie so schön war, wie er noch niemand auf der Welt gesehen hatte. Kaum dass er zu atmen wagte, aber er streckte den Hals zwischen dem Laub so weit vor, als er nur konnte, und schaute sie mit unverwandten Blicken an. Ob er sich zu weit überbog, oder was sonst Schuld war, plötzlich krachte der Ast, und in demselben Augenblick schlüpfte das Mädchen in die Haut, sprang wie ein Reh davon, und da der Mond sich zugleich bedeckte, so war sie seinen Blicken entzogen.
    Kaum war sie verschwunden, so stieg der Graf von dem Baum herab und eilte ihr mit behenden Schritten nach. Er war noch nicht lange gegangen, so sah er in der Dämmerung zwei Gestalten über die Wiese wandeln. Es war der König und die Königin, die hatten aus der Ferne das Licht in dem Häuschen der Alten erblickt und waren drauf zu gegangen. Der Graf erzählte ihnen was er für Wunderdinge bei dem Brunnen gesehen hätte, und sie zweifelten nicht dass das ihre verlorene Tochter gewesen wäre. Voll Freude gingen sie weiter und kamen bald bei dem Häuschen an: die Gänse saßen rings herum, hatten den Kopf in die Flügel gesteckt und schliefen, und keine regte sich nicht. Sie schauten zum Fenster hinein, da saß die Alte ganz still und spann, nickte mit dem Kopf und sah sich nicht um. Es war ganz sauber in der Stube, als wenn da die kleinen Nebelmännlein wohnten, die keinen Staub auf den Füßen tragen. Ihre Tochter aber sahen sie nicht. Sie schauten das alles eine Zeitlang an, endlich fassten sie ein Herz und klopften leise ans Fenster. Die Alte schien sie erwartet zu haben, sie stand auf und rief ganz freundlich „nur herein, ich kenne euch schon.“ Als sie in die Stube eingetreten waren, sprach die Alte „den weiten Weg hättet ihr euch sparen können, wenn ihr euer Kind, das so gut und liebreich ist, nicht vor drei Jahren ungerechter Weise verstoßen hättet. Ihr hats nichts geschadet, sie hat drei Jahre lang die Gänse hüten müssen: sie hat nichts Böses dabei gelernt sondern ihr reines Herz behalten. Ihr aber seid durch die Angst, in der ihr gelebt habt, hinlänglich gestraft.“ Dann ging sie an die Kammer und rief „komm heraus, mein Töchterchen.“ Da ging die Türe auf, und die

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