Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
fortziehen, da packte er die Alte mit beiden Händen, hob sie in die Höhe, und warf sie den Flammen in den Rachen, die über ihr zusammenschlugen, als freuten sie sich dass sie eine Hexe verzehren sollten.
Die Königstochter blickte darauf den Trommler an, und als sie sah dass es ein schöner Jüngling war und bedachte dass er sein Leben daran gesetzt hatte, um sie zu erlösen, so reichte sie ihm die Hand und sprach „du hast alles für mich gewagt, aber ich will auch für dich alles tun. Versprichst du mir deine Treue, so sollst du mein Gemahl werden. An Reichthümern fehlt es uns nicht, wir haben genug an dem, was die Hexe hier zusammen getragen hat.“ Sie führte ihn in das Haus, da standen Kisten und Kasten, die mit ihren Schätzen angefüllt waren. Sie ließen Gold und Silber liegen und nahmen nur die Edelsteine. Sie wollte nicht länger auf dem Glasberg bleiben, da sprach er zu ihr „setze dich zu mir auf meinen Sattel, so fliegen wir hinab wie Vögel.“ „Der alte Sattel gefällt mir nicht,“ sagte sie, „ich brauche nur an meinem Wunschring zu drehen, so sind wir zu Haus.“ „Wohlan,“ antwortete der Trommler, „so wünsch uns vor das StadtTor.“ Im Nu waren sie dort, der Trommler aber sprach „ich will erst zu meinen Eltern gehen und ihnen Nachricht geben, harre mein hier auf dem Feld, ich will bald zurück sein.“ „Ach,“ sagte die Königstochter, „ich bitte dich, nimm dich in Acht, küsse deine Eltern bei deiner Ankunft nicht auf die rechte Wange, denn sonst wirst du alles vergessen, und ich bleibe hier allein und verlassen auf dem Feld zurück.“ „Wie kann ich dich vergessen?“ sagte er und versprach ihr in die Hand recht bald wieder zu kommen. Als er in sein väterliches Haus trat, wusste niemand wer er war, so hatte er sich verändert, denn die drei Tage, die er auf dem Glasberg zugebracht hatte, waren drei lange Jahre gewesen. Da gab er sich zu erkennen, und seine Eltern fielen ihm vor Freude um den Hals, und er war so bewegt in seinem Herzen, dass er sie auf beide Wangen küsste und an die Worte des Mädchens nicht dachte. Wie er ihnen aber den Kuss auf die rechte Wange gegeben hatte, verschwand ihm jeder Gedanke an die Königstochter. Er leerte seine Taschen aus und legte Händevoll der größten Edelsteine auf den Tisch. Die Eltern wussten gar nicht was sie mit dem Reichtum anfangen sollten. Da baute der Vater ein prächtiges Schloss, von Gärten, Wäldern und Wiesen umgeben, als wenn ein Fürst darin wohnen sollte. Und als es fertig war, sagte die Mutter „ich habe ein Mädchen für dich ausgesucht, in drei Tagen soll die Hochzeit sein.“ Der Sohn war mit allem zufrieden, was die Eltern wollten.
Die arme Königstochter hatte lange vor der Stadt gestanden und auf die Rückkehr des Jünglings gewartet. Als es Abend ward, sprach sie „gewis hat er seine Eltern auf die rechte Wange geküßt, und hat mich vergessen.“ Ihr Herz war voll Trauer, sie wünschte sich in ein einsames Waldhäuschen und wollte nicht wieder an den Hof ihres Vaters zurück. Jeden Abend ging sie in die Stadt, und ging an seinem Haus vorüber: er sah sie manchmal, aber er kannte sie nicht mehr. Endlich hörte sie wie die Leute sagten „morgen wird seine Hochzeit gefeiert.“ Da sprach sie „ich will versuchen ob ich sein Herz wieder gewinne.“ Als der erste Hochzeitstag gefeiert ward, da drehte sie ihren Wunschring und sprach „ein Kleid so glänzend wie die Sonne.“ Alsbald lag das Kleid vor ihr und war so glänzend, als wenn es aus lauter Sonnenstrahlen gewebt wäre. Als alle Gäste sich versammelt hatten, so trat sie in den Saal. Jedermann wunderte sich über das schöne Kleid, am meisten die Braut, und da schöne Kleider ihre größte Lust waren, so ging sie zu der Fremden und fragte ob sie es ihr verkaufen wollte. „Für Geld nicht,“ antwortete sie, „aber wenn ich die erste Nacht vor der Türe verweilen darf, wo der Bräutigam schläft, so will ich es hingeben.“ Die Braut konnte ihr Verlangen nicht bezwingen und willigte ein, aber sie mischte dem Bräutigam einen Schlaftrunk in seinen Nachtwein, wovon er in tiefen Schlaf verfiel. Als nun alles still geworden war, so kauerte sich die Königstochter vor die Türe der Schlafkammer, öffnete sie ein wenig und rief hinein
„Trommler, Trommler, hör mich an,
hast du mich denn ganz vergessen?
hast du auf dem Glasberg nicht bei mir gesessen?
habe ich vor der Hexe nicht bewahrt dein Leben?
hast du mir auf Treue nicht die Hand
Weitere Kostenlose Bücher