Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
verurteilt werden“, und der König konnte seine Berater nicht mehr zurückweisen. Es ward ein Gericht über sie gehalten, und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte, ward sie verurteilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das Holz wurde zusammengetragen, und als sie an einen Pfahl festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen anfing, da schmolz das harte Eis des Stolzes und ihr Herz ward von Reue bewegt, und sie dachte „könnt ich nur noch vor meinem Tode gestehen dass ich die Tür geöffnet habe“, da kam ihr die Stimme, dass sie laut ausrief „ja, Maria, ich habe es getan!“ Und alsbald fing der Himmel an zu regnen und löschte die Feuerflammen, und über ihr brach ein Licht hervor, und die Jungfrau Maria kam herab und hatte die beiden Söhnlein zu ihren Seiten und das neugeborne Töchterlein auf dem Arm. Sie sprach freundlich zu ihr „wer seine Sünde bereut und eingesteht, dem ist sie vergeben“, und reichte ihr die drei Kinder, löste ihr die Zunge, und gab ihr Glück für das ganze Leben.
Von der Nachtigall und der Blindschleiche
Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug’ und lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da sprach sie zur Blindschleiche: „Ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und mögte nicht gern so mit einem Aug’ hingehen, sei doch so gut und leih mir deins dazu, ich bring dirs morgen wieder.“ Und die Blindschleiche tat es aus Gefälligkeit.
Aber den andern Tag, wie die Nachtigall nach Haus gekommen war, gefiel es ihr so wohl, dass sie zwei Augen im Kopf trug und zu beiden Seiten sehen konnte, dass sie der armen Blindschleiche ihr geliehenes Aug’ nicht wiedergeben wollte. Da schwur die Blindschleiche, sie wollte sich an ihr, an ihren Kindern und Kindeskindern rächen. „Geh nur, sagte die Nachtigall, und such einmal:
ich bau mein Nest auf jene Linden,
so hoch, so hoch, so hoch, so hoch,
da magst dus nimmermehr finden!“
Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Augen und alle Blindschleichen keine Augen. Aber wo die Nachtigall hinbaut, da wohnt unten auch im Busch eine Blindschleiche, und sie trachtet immer hinaufzukriechen, Löcher in die Eier ihrer Feindin zu bohren oder sie auszusaufen.
Die Hand mit dem Messer
Es war ein kleines Mädchen, das hatte drei Brüder, die galten bei der Mutter alles, und es wurde überall zurückgesetzt, hart angefahren und musste tagtäglich morgens früh ausgehen, Torf zu graben auf dürrem Heidegrund, den sie zum Kochen und Brennen brauchten. Noch dazu bekam es ein altes und stumpfes Gerät, womit es die sauere Arbeit verrichten sollte.
Aber das kleine Mädchen hatte einen Liebhaber, der war ein Elfe und wohnte nahe an ihrer Mutter Haus in einem Hügel, und so oft es nun an dem Hügel vorbeikam, so streckte er seine Hand aus dem Fels, und hielt darin ein sehr scharfes Messer, das von sonderlicher Kraft war und alles durchschnitt. Mit diesem Messer schnitt sie den Torf bald heraus, ging vergnügt mit der nötigen Ladung heim, und wenn sie am Felsen vorbei kam, klopfte sie zwei mal dran, so reichte die Hand heraus und nahm das Messer in Empfang.
Als aber die Mutter merkte, wie geschwind und leicht sie immer den Torf heimbrachte, erzählte sie den Brüdern, es müsste ihr gewiss jemand anders dabei helfen, sonst wäre es nicht möglich. Da schlichen ihr die Brüder nach und sahen, wie sie das Zaubermesser bekam, holten sie ein und drangen es ihr mit Gewalt ab. Darauf kehrten sie zurück, schlugen an den Felsen, als sie gewohnt war zu tun, und wie der gute Elf die Hand herausstreckte, schnitten sie sie ihm ab mit seinem selbeigenen Messer. Der blutende Arm zog sich zurück, und weil der Elf glaubte, seine Geliebte hätte es aus Verrat getan, so wurde er seitdem nimmermehr gesehen.
Der gute Handel
Ein Bauer, der hatte seine Kuh auf den Markt getrieben und für sieben Taler verkauft. Auf dem Heimweg musste er an einem Teich vorbei, und da hörte er schon von weitem wie die Frösche riefen „ak, ak, ak, ak.“ „Ja“, sprach er für sich, „die schreien auch ins Haberfeld hinein: sieben sinds, die ich gelöst habe, keine acht.“ Als er zu dem Wasser heran kam, rief er ihnen zu „dummes Vieh, das ihr seid! Wisst ihrs nicht besser? Sieben Taler sinds und keine acht.“ Die Frösche blieben aber bei ihrem „ak, ak, ak, ak.“ „Nun, wenn ihrs nicht glauben wollt, ich kanns
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