Das Grosse Spiel
Wohnzimmer. Der I. F.-Offizier erhob sich, als sie eintraten, aber er gab Ender nicht die Hand.
Mutter drehte ihren Trauring am Finger. »Andrew«, sagte sie, »ich hätte nie gedacht, daß du einer von denen wärst, die sich unbedingt prügeln müssen.«
»Der kleine Stilson ist im Krankenhaus«, erklärte Vater. »Du hast ihn ganz schön fertiggemacht. Mit deinem Schuh, Ender, das war nicht gerade fair.«
Ender schüttelte den Kopf. Er hatte damit gerechnet, daß jemand von der Schule wegen Stilson kommen würde, nicht ein Offizier der Flotte. Das hier war ernster, als er geglaubt hatte. Und doch konnte er sich nicht vorstellen, was er sonst noch angestellt haben mochte.
»Hast du irgendeine Erklärung für dein Benehmen, junger Mann?« fragte der Offizier.
Wieder schüttelte Ender den Kopf. Er wußte nicht, was er sagen sollte, und er hatte Angst, sich als noch monströser zu verraten, als seine Taten ihn ohnehin erscheinen ließen. Ich werd's über mich ergehen lassen, egal, wie die Strafe aussehen mag, dachte er. Bringen wir's hinter uns.
»Wir sind bereit, mildernde Umstände anzunehmen«, sagte der Offizier. »Aber ich muß dir sagen, daß es nicht gut aussieht. Ihn in die Leistengegend zu treten, dazu wiederholt ins Gesicht und gegen den Körper, als er schon am Boden lag - das klingt, als hätte es dir richtig Spaß gemacht.«
»Das hat es nicht«, flüsterte Ender.
»Warum hast du es dann getan?«
»Er hatte seine Bande dabei«, sagte Ender.
»Und? Entschuldigt das irgendwas?«
»Nein.«
»Erzähl mir, warum du ihn immer wieder getreten hast. Du hattest doch schon gewonnen.«
»Ihn k. o. zu schlagen, hat den ersten Kampf gewonnen. Ich wollte auch alle weiteren gewinnen, gleich da, damit sie mich in Ruhe ließen.« Ender konnte nichts dafür, er hatte zu viel Angst, schämte sich zu sehr seiner eigenen Taten: obwohl er es zu verhindern suchte, weinte er wieder. Ender haßte es zu weinen und tat es selten; jetzt, in weniger als einem Tag, hatte er es dreimal gemacht. Und jedesmal war es schlimmer. Vor seiner Mutter und seinem Vater und diesem Militär zu weinen, das war schmachvoll. »Sie haben mir den Monitor abgenommen«, sagte Ender. »Ich muß nun auf mich selber aufpassen, oder?«
»Ender, du hättest einen Erwachsenen um Hilfe bitten sollen«, begann Vater.
Aber der Offizier stand auf und ging durch den Raum auf Ender zu. Er streckte die Hand aus. »Mein Name ist Graff, Ender. Oberst Hyrum Graff. Ich bin der Leiter der Grundausbildung in der Kampfschule im Gürtel. Ich bin gekommen, um dich aufzufordern, in die Schule einzutreten.«
Doch noch. »Aber der Monitor ...«
»Der abschließende Schritt deiner Überprüfung war, zu sehen, was passieren würde, wenn der Monitor herunterkommt. Wir machen es nicht immer so, aber in deinem Fall ...«
»Und ich habe bestanden?«
Mutter konnte es nicht glauben. »Indem er den kleinen Stilson ins Krankenhaus gebracht hat? Was hätten Sie getan, wenn Andrew ihn umgebracht hätte? Ihm einen Orden verliehen?«
»Es geht nicht um das, was er getan hat, Mrs. Wiggin. Es geht um das Warum.« Oberst Graff händigte ihr eine Mappe voller Papiere aus. »Hier sind die offiziellen Anforderungen. Ihr Sohn ist vom I. F.-Auswahldienst freigegeben worden. Natürlich haben wir bereits Ihre Zustimmung, schriftlich erteilt zu dem Zeitpunkt, da die Empfängnis bestätigt wurde, oder er hätte gar nicht geboren werden können. Von da an hat er uns gehört, sofern er sich qualifizierte.«
Vaters Stimme zitterte, als er sprach. »Es ist nicht sehr nett von Ihnen, uns denken zu lassen, daß Sie ihn nicht wollen, und ihn dann doch noch zu holen.«
»Und dieser üble Trick mit dem kleinen Stilson«, sagte Mutter.
»Es war kein Trick, Mrs. Wiggin. Bis wir wußten, was Enders Gründe waren, konnten wir uns nicht sicher sein, daß er nicht bloß ein weiterer ... wir mußten sicher wissen, was dieses Handeln bedeutete. Oder wenigstens, was Ender glaubte, daß es bedeutete.«
»Müssen Sie ihn unbedingt bei diesem dummen Spitznamen nennen?« Mutter begann zu weinen.
»Tut mir leid, Mrs. Wiggin. Aber so nennt er sich selber.«
»Was werden Sie tun, Oberst Graff?« fragte Vater. »Jetzt auf der Stelle mit ihm zur Tür hinaus spazieren?«
»Das kommt darauf an«, sagte Graff.
»Worauf?«
»Ob Ender mitkommen will.«
Mutters Weinen verwandelte sich in bitteres Gelächter. »Ach, jetzt ist es also doch freiwillig, wie nett!«
»Für Sie beide fiel die Entscheidung, als
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