Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Frauen auszubeuten«, knurrt Padre García friedlich, völlig besänftigt. »Und ihr auch, bittet Gott um Verzeihung, Vagabunden ihr. Und du, hältst du dieses Paar Faulenzer auch aus?«
»Ja, Padrecito«, sagt die Selvática, und wieder erklingt Gelächter auf der Straße.
Doktor Zevallos hört belustigt zu.
»Daß es dir an Offenheit fehlt, kann man nicht sagen«, knurrt Padre García und bohrt mit dem Taschentuch in der Nase. »So was von kompletter Idiotin wie du bist, Unselige.«
»Das sag ich mir auch oft, Padre«, gesteht die Selvática und massiert die runzlige Stirn des Padre. »Und glauben Sie nur nicht, daß ich’s ihnen nicht auch ins Gesicht sag.«
Angélica Mercedes bringt noch ein Täßchen Kaffee, die Selvática kehrt an den Tisch der Leóns zurück, und die in der Tür und hinter dem Rohrgeflecht dicht gedrängt stehenden Leute gehen schließlich davon. Die Kinder beginnen wieder herumzurennen und Staub aufzuwirbeln, von neuem hört man ihre dünnen und gellenden Stimmen. Die Passanten bleiben vor der Chichería stehen, stecken den Kopf herein, deuten auf Padre García, der geduckt dasitzt und mit kleinen Schlückchen seinen Kaffee trinkt, und gehen weiter. Angélica Mercedes, die Unbezwingbaren und die Selvática sprechen halblaut von Speisen und Getränken, rechnen aus, wie viele Leute zur Totenwache kommen werden, murmeln Namen, Zahlen und diskutieren Preise.
»Haben Sie Ihren Kaffee ausgetrunken?« sagt Doktor Zevallos. »Für heute haben wir genügend Aufregung gehabt, jetzt geht’s ins Bett.«
Er bekommt keine Antwort: Padre García schläft friedlich, sein Kopf ruht auf der Brust, ein Ende des Schals hängt in die Tasse.
»Er ist eingeschlafen«, sagt Doktor Zevallos. »Ich weiß nicht, gern weck ich ihn nicht auf.«
»Sollen wir ihm nicht ein Bettchen zurechtmachen?« sagt Angélica Mercedes. »Im Zimmer nebenan, Doktor. Wir decken ihn gut zu und werden ganz leise sein.«
»Nein, nein, er soll aufwachen und ich bring ihn heim«, sagt Doktor Zevallos. »Er würd’s ja nie im Leben zugeben, aber ich kenn ihn. Der Tod von Anselmo macht ihm zu schaffen.«
»Eigentlich müßte er ja zufrieden sein«, flüstert der Affe mitleidig. »Wenn er Don Anselmo auf der Straße gesehen hat, hat er ihn immer beleidigt. Gehaßt hat er ihn.«
»Und der Arpista hat nicht darauf reagiert, hat so getan, als hörte er ihn nicht, und ist auf die andere Straßenseite gegangen«, sagt José.
»So gehaßt hat er ihn auch wieder nicht«, sagt Doktor Zevallos. »Wenigstens während der letzten Jahre nicht mehr. Es war bloß eine Gewohnheit von ihm, ein Laster.«
»Wo’s eigentlich andersrum hätte sein sollen«, sagt der Affe. »Don Anselmo, der hat Grund gehabt, ihn zu hassen.«
»Sag so was nicht, das ist Sünde«, sagt die Selvática. »Die Padres sind die Stellvertreter Gottes, die kann man nicht hassen.«
»Wenn’s wahr ist, daß er ihm das Grüne Haus niedergebrannt hat, dann kann man sehen, was für einegroße Seele der Arpista gehabt hat«, sagt der Affe. »Ich habe ihn nie auch nur ein Wörtchen gegen Padre García sagen hören.«
»Hat man Don Anselmo wirklich dieses Haus in Brand gesteckt Doktor?« sagt die Selvática.
»Ich hab dir die Geschichte doch schon hundertmal erzählt!« sagt Lituma. »Wozu mußt du den Doktor fragen?«
»Weil du sie mir jedesmal anders erzählst«, sagt die Selvática. »Ich frag ihn, weil ich wissen will, wie’s wirklich war.«
»Halt du den Mund, laß uns Männer in Ruhe miteinander reden«, sagt Lituma.
»Ich hab den Arpista auch gern gehabt«, sagt die Selvática. »Ich hab mehr mit ihm gemeinsam gehabt als du, war er vielleicht nicht mein Landsmann?«
»Dein Landsmann?« sagt Doktor Zevallos gähnend.
»Freilich, Mädchen«, sagt Don Anselmo. »Wie du, aber nicht aus Santa María de Nieva, ich weiß nicht einmal, wo das liegt.«
»Wirklich, Don Anselmo?« sagt die Selvática. »Sie sind auch da geboren? Die Selva ist doch herrlich, nicht wahr, mit den vielen Bäumen und den vielen Vögelchen? Stimmt’s nicht, daß die Leute dort besser sind?«
»Die Leute sind überall gleich, Mädchen«, sagt der Arpista. »Aber die Selva ist wirklich herrlich. Ich hab schon alles von dort vergessen, außer der Farbe, darum hab ich die Arpa grün angemalt.«
»Hier schauen alle auf mich herunter, Don Anselmo«, sagt die Selvática. »Sagen Selvática zu mir, um mich zu beleidigen.«
»Faß es nicht so auf, Mädchen«, sagt Don Anselmo. »Nimm es als Kosename.
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