Das Gutachten
viel mehr eine Ganztages-Kantine für Polizeibeamte und
Anwohner der Straße war. Die Wirtin Klara war eine liebenswürdige Frau,
jenseits der sechzig, die ihren Laden seit vielen Jahren gemeinsam mit ihrem
Mann führte.
Morgens hatte sie den
besten Kaffee der Straße, allerdings ohne diesen ‚italienischen
Schnick-Schnack‘ wie sie es nannte. Guter Bohnenkaffee und das war es, kein
Cappuccino, Latte Macchiato oder etwas in der Art. Ganz normalen, lecker
aufgebrühten Kaffee, dazu belegte Brötchen.
Viele Beamte verzichteten
zu Hause auf das Frühstück und gingen stattdessen regelmäßig vor dem Dienst zu
Klara, die schon am Morgen gut gelaunt war.
Mittags hatte sie zwei bis
drei Hausmannskost-Gerichte im Angebot, die immer, wirklich immer, besser
schmeckten als der Kantinen-Fraß im Präsidium. Und auch nach Dienstschluss
bekam man immer noch etwas Gutes gegen den kleinen oder großen Hunger für wenig
Geld.
Klara war so etwas wie die
gute Seele des Polizeipräsidiums. Dabei hatte sie noch nie - und sie wurde
nicht müde, das regelmäßig zu beteuern - in ihrem Leben einen Fuß in den
‚grauen Betonklotz‘ gesetzt, wie sie das Gebäude nannte. Jeder kannte sie,
jeder mochte sie. Und vor allem konnte man sich hier ungestört unterhalten.
Klara und ihr Mann waren
die Diskretion in Person, nie würde ein Wort, das sie zufällig aufschnappten,
nach außen dringen. Das wussten Kalthoff und Berg als sie die Gaststube
betraten und sich nach einem ruhigen Platz umsahen.
Um die Zeit war es
meistens sehr leer. Klara ließ die Kneipe trotzdem offen, weil es immer ein
paar Beamte gab, die hungrig von einem Einsatz kamen oder nach einem
anstrengenden Arbeitstag einfach mal ein Feierabendbier genießen wollten.
»N‘Abend, Klara. Alles gut
bei dir?«
»Kann nicht klagen.
Obwohl, eigentlich wollte ich gerade zusperren ...«
Dabei lachte sie herzlich
und sie wussten, dass Klara sie nur aufziehen wollte. »Aber jetzt, wo ihr schon
mal drin seid, was kann ich euch beiden denn Gutes tun?«
Das vertraute ‚du‘ gehörte
bei Klara zum guten Ton, egal wen sie vor sich hatte. Genau das machte auch
ihre Herzlichkeit aus und jeder fühlte sich bei ihr wohl.
»Ich nehme das
Jägerschnitzel und ein Alkoholfreies.« Kalthoff sah zu Theo Berg rüber. »Nur
das Alkoholfreie, danke!«
Entschuldigend meinte er
zu seinem Gegenüber: »Ich war heute Mittag schon hier und die Portionen waren
wieder mal für Erwachsene. Aber nun schieß los, was brennt dir so unter den
Nägeln?«
Kalthoff berichtete, was
sein Freund Ferdi ihm heute auf dem Golfplatz erzählt hatte, ließ aber alle
Details weg, die auch nur im Entferntesten Rückschlüsse auf seine Person
zuließen. Berg hörte aufmerksam zu und runzelte hin und wieder die Stirn.
Noch bevor das Essen
gebracht wurde, war Kalthoff mit seiner Schilderung fertig und blickte
erwartungsvoll seinen Kollegen an: »Hast du in letzter Zeit irgendetwas in der
Art gehört?«
Das Schnitzel kam und
beide bestellten ein weiteres alkoholfreies Bier. »Ja und nein«, entgegnete
Berg.
»Deiner Schilderung nach,
riecht es tatsächlich schon ein wenig nach Bandenkriminalität, obwohl das auch
zwei bis drei Leute gut bewerkstelligen könnten. Das vermute ich eher. Der
Brief klingt nach einem intelligenten Kopf, die Frau ist der Köder und
vielleicht gibt es noch jemanden, der für die Technik und Kurierdienste
zuständig ist. Mehr Leute brauchen die gar nicht.«
Er nippte an seinem Bier
und überlegte weiter.
»Ich hatte tatsächlich vor
etwa, lass mich kurz nachdenken, drei oder vier Wochen mal einen etwas
merkwürdigen Anrufer. Die Zentrale konnte mit ihm nichts anfangen, und da er
ständig das Wort ‚Mafia‘ gebraucht hat, haben die ihn schließlich zu mir
durchgestellt.
Dieser Mann berichtete
ganz ähnlich von einem Mädchen, auch die Beschreibung könnte passen. Sie hat
ihn auf der Messe angesprochen und so getan, als hätte sie ihr Portemonnaie
verloren und bräuchte eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt.
In dem Fall war die Masche
ein kleines bisschen abgewandelt, denn die junge Frau gab sich als ‚Assistentin
des Geschäftsführers‘ eines mittleren Unternehmens aus. Ihr Chef sei auf der
Messe und sie müsse ihn begleiten.
Der Anrufer stammelte
ziemlich und redete sehr unzusammenhängendes Zeug, aber so viel konnte ich dann
doch verstehen.
Jedenfalls kamen sie ins
Gespräch, fuhren gemeinsam mit dem Taxi und landeten anschließend zuerst in
einem schicken Restaurant und später in
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