Das Halsband der Königin
zurückzogen.
»Was verspricht sich Herr de Provence davon?«
»Ist es möglich, Schwägerin, daß Sie als Frau, Königin und Feindin seine listige Absicht nicht durchschauen? Der Held des Indischen Meeres hat Anspruch auf einen großartigen Empfang in Versailles. Da der Kriegsminister nichts von seiner Ankunft wußte – welcher Minister hätte sich je fähig erwiesen? –, wuß-
te auch der König nichts. Herr de Provence will also, indem er den berühmten Mann mit allem Glanz empfängt, im Ruhm des indischen Helden sich sonnen und somit der Held Frankreichs sein.«
»Aber woher kennen Sie die schönen Pläne Ihres teuren Bruders?«
»Herr de Provence läßt es sich einiges kosten, alles zu wissen, was ich tue. Folglich habe auch ich meine gedungenen Leute, so einfach ist das. Jedenfalls soll uns die Nachricht nützen. Ich habe den Minister informiert, er wiederum den König. Der Minister wird es mir zu danken wissen, wenn ich demnächst einer Anleihe bedarf.«
»Dank für die Belehrung, Schwager, und Dank für Ihr Bündnis.«
Und lachend verabschiedete die Königin d’Artois, um den Schlitten zu besteigen, den Philippe unterdessen zur Ausfahrt vorbereitet hatte.
Der junge Mann hatte seine Schlittschuhe angeschnallt, Andrée neben der Königin Platz genommen, und nun begann eine Fahrt über das Eis, die Philippe, vor Stolz und Freude trunken, allmählich zu verwegener Schnelligkeit steigerte. An diesem schönen Apriltag ohnehin übermütig gestimmt, durch die Anwesenheit der Geschwister Taverney an die fröhlichen ersten Jahre in ihrem Trianon erinnert, gab sich die Königin der Wollust hin, in so kühnen Schwüngen und Kurven, von fester Hand geführt, über das Eis zu fl iegen.
Vom Rande des Sees verfolgte ein kleiner Greis, einer Figur E. T. A. Hoffmanns nicht unähnlich, mit unergründlichem Blick den tollen Lauf.
Der Versucher
»Oh, Herr von Taverney«, rief mit einemmal die Königin, »halten Sie an, Erbarmen, Sie bringen mich um.«
Philippe gehorchte.
»Ruhen Sie sich aus«, setzte sie hinzu, und schwankend ent-stieg sie dem Schlitten. »Ich hätte nie gedacht, in welch rausch-haften Zustand die Schnelligkeit versetzen kann.«
Und hocherhitzt, ihrer Schritte nicht sicher, stützte sie sich auf Philippes Arm.
Ein hörbarer Schauder lief durch die goldbetreßte Menge und erinnerte die österreichische Kaiserstochter, daß sie wieder einmal einen Verstoß gegen die Etikette begangen hatte – einen ungeheuerlichen Verstoß in den Augen der Neider. Philippe aber, auf dieses Übermaß an Auszeichnung nicht gefaßt, zitterte und fühlte sich so betroffen, als hätte die Majestät ihn öffentlich ge-kränkt.
»Einen Sitz!« befahl die Königin beinahe schroff und zog ihren Arm zurück. »Mein Gott, ist es widerwärtig, ständig von Gaffern und Dummköpfen umgeben zu sein«, setzte sie leise hinzu.
Man brachte ihr einen Klappsitz. Damen und Herren eilten herbei und verschlangen Philippe mit den Augen, der, um sein Erröten zu verbergen, die Schlittschuhe ablegte.
»Oh, ich merke, so erkälte ich mich«, sagte die Königin, und sie begab sich erneut zu ihrem Schlitten.
Philippe erwartete ihren Befehl, doch umsonst. Wenigstens zwanzig Herren erboten ihren Dienst. Aber die Königin lehnte dankend ab.
»Nein, meine Heiducken«, sagte sie, und als die Bedienten an ihrem Platz standen: »Langsam jetzt, ganz langsam.«
Der Schlitten entfernte sich. Philippe trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Ein wenig betrübt, ein wenig überdrüssig und nahezu erschrocken über das Geschehene folgte er dem Gefährt mit den Augen, als er fühlte, wie ein Ellbogen ihn streifte.
Es war sein Vater, jener kleine hoffmanneske Greis. Seine Hän-de staken in einem Muff. Seine Augen funkelten.
»Was tust du, Narr?« sagte er. »Rasch, rasch der Königin nach.«
»Oh, nein, Vater, nein!«
»Wieso nein? Bist du toll, deine Chance zu verpassen? Siehst du nicht, wie die Königin sich nach dir umsieht?«
»Vater, Sie machen sich über mich lustig.«
Der Alte packte seinen Sohn so hart am Arm, daß der Sohn vor Schmerz die Stirn in Falten zog.
»Hören Sie, Herr Philippe«, sagte der Alte, »Sie kommen aus Amerika, einem Land, wenn ich mich recht erinnere, wo es weder König noch Königin gibt.«
»Ich verstehe Sie nicht, Vater.«
»Und ich verstehe, daß Sie, mein Sohn, ein Dummkopf sind.
Die Königin hat sich jetzt zum drittenmal umgedreht. Und wen suchen wohl ihre Augen, Herr Amerikaner?«
»Sie sehen
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