Das Halsband der Königin
ihren Vorschlag.
Herr de Charny
Wer liebt, hat ein feines Gespür für die Regungen, die in dem geliebten anderen sich vollziehen. Philippe hatte den Blickwechsel zwischen der Königin und seiner Schwester nach dem Auftritt des jungen Offi ziers bemerkt; ihm war nicht entgangen, wie die Königin immer aufs neue nach Herrn de Charny hinsah und dann und wann im Gespräch sinnend verharrte, ungeachtet der Prinzen und Prinzessinnen, die nach Verschwinden des Königs und des Gouverneurs um Ihre Majestät sich geschart hatten. Er beobachtete, wie sie hinter ihrem Fächer Zufl ucht suchte, sie, die sonst alle Welt zwang, den Blick vor ihr zu senken. Er fragte sich nach der Ursache solchen Verhaltens. Er ahnte ein Geheimnis, auf das er eifersüchtig war.
Jetzt betrat ein Mann in majestätischer Kardinalsrobe, von Prä-
laten und Offi zieren gefolgt, den Salon. Die Königin erkannte Louis de Rohan und wandte den Kopf ab, ohne ihre Verstimmung zu verhehlen. Der Kardinal verneigte sich vor ihr mehr als Weltmann vor einer Dame denn als Untertan vor einer Königin. Nach einem galanten Kompliment, das Marie-Antoinette kalt entge-gennahm, schritt der Kardinal weiter, als berührte es ihn nicht, von der Königin so eisig empfangen worden zu sein. Gemäß dem höfi schen Waagespiel nahmen die Tanten des Königs ihn desto herzlicher auf.
Der Kardinal Rohan war ein Mann in der Vollkraft der Jahre.
Seine eindrucksvolle Erscheinung bezeugte, daß er ein geistvoller Genießer des Lebens war. Die Damen schätzten seine Diskretion; seine Freigebigkeit war sprichwörtlich. Der König liebte ihn, weil er gelehrt war; die Königin haßte ihn.
Die Gründe für diesen Haß sind nie recht aufgeklärt worden.
Zum einen hieß es, Marie-Antoinette habe dem Fürsten de Rohan, als er Botschafter Ludwigs XV. in Wien war, seine iro-nischen Berichte über die österreichische Kaiserin nie verziehen.
Nach einer zweiten Version – sie klingt wahrscheinlicher – hatte der Botschafter, als die Heirat des Dauphins und der österreichi-schen Kaisertochter in Aussicht genommen worden, dem König in einem Brief, den Ludwig XV. laut an der Tafel der Madame Dubarry vorgelesen, Einzelheiten über die junge Dame gemeldet, die angetan waren, die Eitelkeit der damals noch sehr mageren Marie-Antoinette zu verletzen. Schließlich soll auch eine politische Intrige im Spiel gewesen sein. Das Botschafteramt war einem Herrn de Breteuil zugunsten des Fürsten de Rohan entzogen worden. Zu schwach, um gegen den hohen Adeligen offen in den Kampf zu treten, hatte Breteuil Abschriften, ja sogar Originale von Rohans Berichten aus Wien sich verschafft, in denen es nicht an kleinen Bosheiten über die österreichische Dynastie mangelte, und damit in der Dauphine eine Bundesgenossin sich gewonnen, die eines Tages zum Werkzeug seiner Rache werden konnte.
So war die Stellung des Kardinals bei Hofe schwierig, doch schien Louis de Rohan seiner Feindin nicht feindlich gesinnt, denn er nützte jede Gelegenheit, sich der Königin zu nähern, was nicht schwerfi el, da er der Großalmosenier des Hofes war.
Kaum hatte der Kardinal sich entfernt, als Marie-Antoinette sich wieder aufheiterte und der Prinzessin de Lamballe vorschlug, man solle das Bravourstück des soeben begnadigten jungen Mannes sich doch von diesem selbst berichten lassen.
Herr de Charny wurde zur Königin bestellt. Während der junge Offi zier männlich und bescheiden bat, ihm solchen Bericht zu erlassen, da jeder andere seiner Kameraden in dem Augenblick das gleiche getan haben würde, konnte Marie-Antoinette ihn aufmerksamer betrachten als zuvor.
Er mochte ungefähr achtundzwanzig Jahre zählen, war von schlankem Wuchs und hatte kraftvolle breite Schultern. Sein fein geschnittenes Gesicht ließ Energie erraten, sooft sein blaues Auge zu einem tiefen Blick sich weitete.
Mit keiner Miene hatte er bislang verraten, daß er Mademoiselle de Taverney oder die Königin wiedererkannt hätte. Marie-Antoinette indes erzählte dem Kreis, der sich um sie gebildet hatte, die Geschichte, wie dieser junge Herr gestern zwei Damen, die in Paris sich verspätet hatten und die sie sehr wohl kenne, auf das ritterlichste aus Gefahr befreit und nach Versailles begleitet hatte, ohne – und dies sei das Lobenswerteste an seinem Verhalten – ohne im mindesten sich zu bemühen, die Namen jener Personen in Erfahrung zu bringen.
Damit reichte sie dem Offi zier ihre Hand.
Während Charny, vor Glück erblassend, sie mit seinen Lippen
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