Das Halsband der Königin
und von vollkommenster Reinheit, mit atemlosem Staunen.
»Oh, ist das herrlich, Sire!« rief sie endlich. »Wie kunstvoll die Steine nach der Größe geordnet sind! Der Juwelier, der dieses Kollier gefertigt hat, ist ein Künstler. Ich vermute, die Herren Boehmer & Bossange?«
»Sie haben es erraten, Madame. Nur, hüten Sie sich, meine Liebe, hüten Sie sich vor Ihrer Begeisterung, dieses Halsband würden Sie hoch bezahlen.«
»Oh, Sire!« rief die Königin, und ihr strahlendes Antlitz ver-dunkelte sich. »Ist es wirklich so teuer?«
»Allerdings«, sagte Ludwig, »aber lassen Sie mir die Freude, es an Ihrem Hals zu sehen. Erst dort erhält es seinen wahren Wert.«
Hiermit griff der König nach den beiden Enden des Kolliers und wollte es seiner Gemahlin um den Hals legen.
»Nein«, sagte die Königin bestimmt, »keine Kindereien! Dieser Schmuck ist vermutlich seine eineinhalb Millionen wert. Und die Schatzkammern des Königs sind leer. Ich hörte, so viel koste ein Linienschiff. Der König von Frankreich braucht ein Linienschiff dringender als die Königin ein Kollier.«
»Ihr Verzicht ist erhaben, Antoinette. Frankreich wird Sie da-für segnen.«
Die Königin seufzte auf.
»Sie bedauern Ihren Entschluß?« sagte Louis. »Noch ist es Zeit …«
»Nein, Sire, ich habe meine Worte wohl überlegt. Aber ich habe eine andere Bitte. Lassen Sie mich noch einmal nach Paris.«
»Das ist entschieden billiger.«
»… zu Herrn Mesmer.«
Der König kratzte sich hinterm Ohr.
»Nun«, ließ er sich nach einigem Bedenken vernehmen, »da Sie eine Laune von eineinhalb Millionen ausgeschlagen haben, muß ich Ihnen diese wohl bewilligen, doch unter der Bedingung, daß Sie zu Ihrer Begleitung eine Prinzessin von Geblüt wählen.«
»Wäre Ihnen Madame de Lamballe angenehm?«
»Unbedingt. Und ich werde ein Linienschiff in Auftrag geben, das Sie, Madame, selbst taufen sollen auf den Namen Das Halsband der Königin.«
Das kleine Lever der Königin
»Heute«, verkündete die Königin froh, indem sie ans Fenster trat und die reine kalte Morgenluft einsog, »will ich auf dem Schweizer See ausfahren. Vielleicht ist morgen schon der Frühling da.«
In der Tat, am rosigen Horizont stieg zartgrauer Dunst auf, in den Beeten im Park zeigten sich die ersten Schneeglöckchen, von den Zweigen fi el der kristallene Reif.
Mademoiselle de Taverney wurde gemeldet. Als sie bei ihrem Eintreten die Königin lächeln sah, heiterten sich ihre Züge auf.
»Jetzt ein kleines Frühstück, liebe Miséry«, sagte Marie-Antoinette, »und schicken Sie mir Léonard und meinen Schneider.«
Bis der Friseur Léonard erschien, teilte die Königin Andrée mit, wie der König das gestrige Abenteuer aufgenommen. Dann, als die Königin voller Wohlgefallen an ihrem schönen Haar vor dem vergoldeten Spiegel Platz genommen und der berühmte Haarkünstler seine Arbeit begonnen hatte, zog sie Andrée ein wenig damit auf, daß sie, die doch allen Kavalieren des Hofes die kalte Schulter zeige, seit gestern einen Herrn hätte.
Andrée errötete und lächelte traurig.
»Einen Herrn, Madame?«
»Gewiß, Ihr Bruder ist aus dem Krieg in Amerika heimgekehrt, höre ich. War sein Name nicht Philippe?«
Lächelnd bejahte Andrée.
»Wie ist er jetzt?«
»Noch immer gut und schön, Madame.«
»Wissen Sie, daß ich ihn neun Jahre nicht gesehen habe? Wie alt ist er?«
»Zweiunddreißig. Wenn Eure Majestät ihn empfangen wollen, wird er gern die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen zu beweisen, daß seine Ergebenheit durch das lange Fernsein nicht gelitten hat.«
»Kann ich ihn gleich sehen?«
»Er könnte in einer Viertelstunde hier sein.«
»Guten Morgen, Majestät, wie haben Sie diese Nacht geschlafen?« fragte in dem Augenblick das spöttisch lächelnde Gesicht des Grafen d’Artois in den Spiegel hinein, in dem Marie-Antoinette sich wohlgelaunt betrachtete.
»Nicht sonderlich.«
»Und wie war der Morgen?«
»Ausgezeichnet.«
Königin und Schwager lächelten sich vielsagend zu. Die Majestät, von Léonards kunstreichem Werk befriedigt, warf den Pudermantel ab, und wenig darauf führte Andrée einen jungen Edelmann mit sonnengebräuntem energischem Gesicht und straf-fer, ernster Haltung herein, die den erprobten Kriegsmann ver-rieten.
Philippe de Taverney trug einen dunkelgrauen, silberbestick-ten Rock, aber an seinem Körper schien das Grau schwarz, das Silber Eisen. Die weiße Halsbinde, das gepuderte Haar unter-strichen die männliche Schönheit seiner
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