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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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lachte sie.
    »Danke«, sagte ich eingeschnappt. Der Vorraum, in dem wir standen, war zugestellt mit einer Garderobe, einem Schirmständer, zwei Stühlen und einem Tisch, auf dem ein wilder Wust von Flyern und Prospekten herumlag. Neben dem Tisch führte eine Tür weiter ins Innere des Hauses. Ich schob sie auf und fand mich in einem düsteren, recht großen Raum, von dem eine Treppe ins obere Geschoss führte. Durch die niedrigen, kleinen Fenster fiel ein wenig Licht herein und brachte das Glas der Vitrinen und Schaukästen, die überall verteilt standen, zum Schimmern. Außer mir – na ja, und Jeannie – war niemand im Raum.
    »Hallo?«, rief ich. Um meine Füße bildete sich langsam eine Pfütze von dem Wasser, das aus meinen Hosenbeinen tropfte und von meiner Jacke troff. Wie peinlich.
    N iemand antwortete auf meinen Ruf. Ich sah mich um. Das übliche Zeug, was man in solchen Museen findet, lag und stand und hing herum. Schautafeln, Vitrinen mit Scherben und Knochen, kaputte Haushaltsgegenstände, vermoderte Kleidungsstücke, ausgestopfte, mottenzerfressene Tiere. Bücher. Fotos. Landkarten. Es roch muffig und feucht. Das hier sah nicht nach einer Sammlung aus, in die ich mich auch nur einen halben Regentag lang hätte vertiefen wollen.
    »Ich glaube, wir gehen wieder«, sagte ich zu Jeannie. Die hockte auf einem wahrscheinlich antiken Schemel und drehte gelangweilt ihre pinkfarbenen Haare zu Rastalocken.
    »Hm«, machte sie. »Wie du willst, Ary. Du bist der Boss.«
    »Wir gehen«, wiederholte ich lauter. »Auf. Los, Jeannie.«
    Hinter mir auf der Treppe hörte ich jemanden kichern. Ich fuhr herum und sah in das Gesicht eines Mädchens – des Mädchens. Was machte sie hier? Sie stand gebückt da und blickte durch die Holme des Treppengeländers.
    »Du?«, sagten wir gleichzeitig.
    Sie kam eine Stufe tiefer, ging in die Hocke und betrachtete mich durch das Geländer. »Der seltsame Junge. Hast du deine Axt dabei?«, fragte sie. Ihr Lächeln ging mir durch und durch. »Und redest du immer mit dir selbst?«
    Ich hob die Schultern in meiner nassen Jacke. Wie peinlich, wie peinlich! »Nein«, sagte ich etwas lauter als nötig. »Nein, ich rede nicht mit mir ... ach, das ist zu kompliziert!«
    »Das glaube ich dir«, erwiderte sie ernsthaft, aber in ihren nebelfarbenen Augen schimmerte das Lachen. Sie lachte mich aus. Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss, und hob die Hände, als wollte ich ihr zeigen, dass ich unbewaffnet war. »Ich wollte m ich hier nach dem Haus an der Klippe erkundigen. Heathcote Manor.« Was redete ich da? Das musste ihr doch total merkwürdig vorkommen, schließlich wohnte sie doch dort, oder?
    Sie setzte sich auf die Stufe, faltete die Hände vor den Knien und lehnte sich gegen das Geländer. Ihr Gesicht lag halb im Schatten, aber ich konnte erkennen, dass sich eine dünne Eisschicht über ihre Miene legte. Das Lächeln war fort und ihre Augen blickten argwöhnisch und düster. Oder lag das an dem Schatten, der vom Treppengeländer auf ihr Gesicht fiel? »Heathcote Manor? Was willst du wissen?«
    »Wir wohnen im Cottage daneben«, erklärte ich unnötigerweise.
    Sie nickte und die Eisschicht taute für ein winziges Lächeln, das bedeutete: Weiß ich doch, Dummkopf . »Im Kutscherhaus. Du und dein Vater und sein Freund.« Das Lächeln wurde breiter, aber es war freundlich und ganz und gar nicht boshaft oder anzüglich, wie ich es gewohnt war, wenn mein Vater und Jonty in einem Atemzug erwähnt wurden. »Dein Vater schreibt Bücher, oder?«
    »Ja.« Ich entspannte mich ein wenig. Sie schien mich nicht für so durchgeknallt zu halten, dass sie nicht mit mir reden wollte. Ich ging einen Schritt auf sie zu. Sie blieb sitzen, sah mich nur aufmerksam an. Heute waren ihre hellen Haare nicht so ordentlich geflochten, sie hatte sie nur mit einem Haargummi zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Und sie trug wieder so braves, ordentliches Zeug: ein dunkelblaues Kleid mit einer beigefarbenen Strickjacke darüber, Söckchen, Ballerinas. Aber sie war so unglaublich hübsch, dass es eigentlich ganz egal war, was sie anhatte.
    »Adrian Smollet«, sagte ich.
    S ie blinzelte verwirrt. »Ach so«, sagte sie dann. »Nova Vandenbourgh.«
    Nova. Was für ein seltsamer Name war das? Ich musste ein entsprechendes Gesicht gemacht haben, denn sie runzelte die Stirn. »Eigentlich heiße ich November.«
    »Ein schöner Name«, sagte ich gegen meine Überzeugung. Ich fand ihn total bescheuert. Wer nennt seine

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