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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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er in der letzten Zeit nur müde aus.
    Ich stand da und starrte ihn an wie einen Fremden. Er war dünner geworden und sein Haar begann grau zu werden. Ich hatte ihn nie so angesehen, und deshalb war mir auch nicht aufgefallen, dass er nicht mehr der Toby war, dessen Erscheinung mir so vertraut gewesen war wie mein eigenes Spiegelbild. Etwas war in den letzten Monaten mit ihm geschehen, das Falten auf seine Stirn und Schatten unter seine Augen gezeichnet hatte.
    »Du weißt, was es ist«, flüstert jemand über meine Schulter. »Du bist schuld, mein Kleiner. Du hast dafür gesorgt, dass dein Vater keine Nacht mehr ohne Albträume schläft, dass ihm das Essen nicht mehr schmeckt, dass er sich mit Jonathan streitet. Hast du sie gehört, heute Morgen? Sie haben sich angebrüllt. Deinetwegen.« Der Joker kichert.
    Ich beiße die Zähne aufeinander. Ich kann seinen Atem riechen, der modrig ist, als hätte man ein uraltes Grab geöffnet. Mit einem Mal zieht ein scharfer Schmerz durch meine Schläfe, mitten durch die Kalte Stelle. Der Affe auf meiner Schulter, den ich so gerne ignoriert hätte, wühlt mit scharfen Krallen in meinem Kopf herum. Ich schnappe nach Luft und machte unwillkürlich einen Schritt nach vorne. Kies knirscht unter meinen Füßen.
    Toby schnaufte und öffnete die Augen. Er rieb sich übers Gesicht und gähnte. »Adrian«, sagte er. »Wo warst du?« Er schwang die Beine von der Bank und klopfte mit der Hand darauf.
    » Am Hafen.« Ich setzte mich neben ihn. »Ich habe Fotos gemacht.«
    Er legte seinen Arm um mich und blinzelte gähnend ins Licht. »Fotos?«
    »Von Möwen.«
    »Schön.« Er lächelte mich an, und für die Dauer seines Lächelns sah er wieder aus wie der alte Toby, der geistesabwesend durch das Haus wanderte und über seinen aktuellen Mordfall nachdachte.
    »Hast du Zeit?«, fragte ich ihn. Er nickte und sah mich abwartend an.
    »Du hast Jonty gekränkt«, sagte ich. Es ist nicht meine Art, mich in die Beziehung der beiden einzumischen, aber Jonathan hatte mir so leidgetan, dass ich einfach nicht den Mund halten konnte. »Er gibt sich solche Mühe, sich um uns zu kümmern. Es ist doch gar nicht seine Aufgabe.« Ich begann zu stottern und verstummte, ärgerlich auf mich selbst, weil ich es nicht auf die Reihe bekam, ihm zu sagen, was mich an seiner Art, mit Jonathan umzugehen, so aufregte.
    Toby machte ein unzugängliches Gesicht. »Was habe ich denn getan?«
    »Du hast ihm gesagt, dass du sein Essen nicht magst und dass er eine Haushälterin einstellen soll.«
    Mein Vater runzelte die Stirn. »Ich fand, dass wir es ihm nicht länger zumuten können, für uns den Hausmann zu spielen. Was ist daran falsch?«
    Ich schüttelte hilflos den Kopf. »Gar nichts. Du hast ja recht. Aber wie du es gemacht hast – es hat ihn verletzt.«
    Er musterte mich scharf. Dann wurde seine ärgerliche Miene s anft und er drückte meine Schulter. »Du hast ihn wirklich gern, oder?«
    »Ja«, antwortete ich nur. Was für eine Frage war das. Jonty war schon lange ebenso mein Vater wie Toby. Seit Maman gegangen war, hatte er sich um mich gekümmert. Er hatte mit mir Vokabeln gepaukt und vor Tests den Stoff wiederholt, er hatte mich jeden Tag zur Schule gefahren, als ich mir im Skiurlaub das Bein gebrochen hatte, wir hatten zusammen Schach gespielt und waren gewandert, hatten Tischtennis gespielt und Bücher zusammen gelesen, er hatte mich geduldig durch meinen ersten Liebeskummer begleitet – da war ich vierzehn – und er hatte im Krankenhaus an meinem Bett gesessen. Tagelang. Nächtelang. Er hatte mir vorgelesen und mir von seinen Studenten erzählt, er war einfach da gewesen, wenn ich es nicht ertrug, allein zu sein. Er hatte in meinem Zimmer geschlafen und sich mit den Ärzten herumgestritten. Er hatte den Stoff mit mir nachgeholt, den ich in dieser Zeit verpasste. Seinetwegen hatte ich sogar in meine alte Klasse zurückkehren können.
    Natürlich war auch Toby in der ganzen Zeit da gewesen. Es wäre unfair, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber mit Jonty – das war etwas Besonderes.
    »Ja«, wiederholte ich. »Ich habe ihn sogar sehr gern. Und du bist manchmal ganz schön eklig zu ihm.«
    Er wurde nicht wütend, obwohl ich das erwartet hätte. Er senkte das Kinn auf die Brust, zog die Schultern hoch und seufzte. »Wir sind alle ein bisschen angeschlagen, Ary. Es tut mir leid, ich wollte nicht eklig zu ihm sein. Ist es in Ordnung, wenn ich mich gleich bei ihm entschuldige?«
    Ich starrte ihn mit

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