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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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meiner Enttäuschung. So schnell und gründlich hatte ich es mir noch nie mit einem Mädchen versaut.
    Eliette Burges winkte mir zu, ihr zu folgen. »Ich mache mir einen Tee«, sagte sie, während sie mir voraus in den rückwärtig gelegenen Teil des Hauses ging. »Möchtest du auch?«
    »Ja, danke«, erwiderte ich. Ich hörte Jeannie stöhnen, sie rief: »Langweilig!«, und war verschwunden. Der Roshi beugte sich über eine Vitrine und studierte die darin ausgestellten Landkarten und aufgeschlagenen Bücher. Ich ließ ihn, wo er war, und folgte Ms Burges, die in einer kleinen Teeküche mit Geschirr klapperte.
    Ich lehnte mich an den Türrahmen. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Nett von dir, aber nein, danke.« Sie hantierte mit einem Wasserkocher und zwei Bechern. »Ich trinke Pfefferminztee. Was möchtest du?« Sie hielt mir eine Dose mit verschiedenen Teebeuteln hin, und ich suchte mir einen schwarzen Tee mit Apfel-Zimt-Aroma heraus.
    »Zucker?«
    Ich verneinte. Das kochende Wasser gluckerte auf die Teebeutel, dann drückte Eliette Burges mir meinen dampfend heißen Becher in die Hand und schob mich in ein kleines, vollgestopftes Büro und auf eine durchgesessene Couch. Sie ließ sich auf einen Drehstuhl fallen, dessen Federung leise quietschte, und lehnte sich mit einem erleichtert klingenden Seufzen zurück. An ihrem Tee nippend, sah sie mich an. »Heathcote Manor«, sagte sie. »Unser lokales Spukhaus. Warum interessierst du dich dafür?«
    Ein Spukhaus also, wie es sich für ein Haus in Cornwall gehörte. Ich hätte beinahe gelacht, aber stattdessen nickte ich ernst, w ie Toby es immer tat, wenn er das, was jemand sagte, für vollkommen gaga hielt, und antwortete: »Es sieht aus, als hätte es eine interessante Geschichte. Ich sehe es ja jeden Tag, weil wir gleich daneben wohnen, und dachte, es könnte spannend sein, darüber etwas zu schreiben.« Ich sah ihre Miene und fügte hinzu: »Für die Schule.« Das Argument zog bei Erwachsenen immer.
    Warum erzählte ich ihr nicht, dass ich eigentlich gar nicht so sehr an dem Haus interessiert war, sondern viel mehr an seinen Bewohnern? Und an denen auch nur, weil ich gedacht hatte, dass November dazugehörte? »Ist Nova Ihre Tochter?«
    Sie hielt ihren Becher zwischen den Handflächen und sah mich nachdenklich an. Nova sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Eliette Burges hatte dunkles Haar und Sommersprossen, Augen wie Kastanien und war der sportliche, kräftige Typ. Ganz und gar nicht elfenhaft. Und außerdem hieß Nova anders. Ich fing an, mich dumm zu fühlen, als sie antwortete: »Nein. Sie ist die Tochter meiner besten Freundin. November lebt hier, seit ihre Familie ...« Sie unterbrach sich und schüttelte mit ärgerlichem Gesicht den Kopf. »Das ist eine Privatangelegenheit. Und ich habe nicht den Eindruck, dass ihr euch besonders gut kennt. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«
    »Sie war bei uns im Garten.«
    Sie runzelte die Stirn. »Im Garten vom Kutscherhaus? Was hat sie da gemacht?«
    »Keine Ahnung. Sie kam vom Herrenhaus ...«
    Ihr Gesicht wurde so düster, dass ich verstummte. Irgendetwas schien ihr daran nicht zu passen, aber sie schüttelte nur den Kopf. »Also Heathcote Manor.« Sie stellte den Becher ab und kramte in einem vollgestopften Regal neben dem Schreib t isch herum. Dann reichte sie mir eine Broschüre, die sie aus einem Stapel identischer Broschüren hervorgezogen hatte, die mit einem Gummiband zusammengehalten wurden. So vergilbt und eselsohrig, wie sie waren, lagen sie wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten unberührt in diesem Regal herum.
    Ich sah mir das Titelblatt an, das ein grünstichiges Foto unseres Nachbarhauses unter einem mit dramatischen Wolken bedeckten Himmel zeigte. »Heathcote Manor – Ein Spukhaus und seine Geschichte«, lautete der verschnörkelte Titel.
    »Das ist natürlich nicht sehr ausführlich«, sagte Eliette Burges und nahm ihren Becher wieder in die Hand. »Das Haus steht seit beinahe fünfhundert Jahren dort, angeblich wurde es auf einem alten heidnischen Kultplatz errichtet. Es ist in dieser Zeit mehrmals teilweise bis auf die Grundmauern abgebrannt und wieder aufgebaut worden. Vom Pech verfolgt – wenn irgendwo der Blitz einschlägt, dann dort. Ein- oder zweimal war es Brandstiftung, einmal ist ein Feuer vom damals noch existierenden Wirtschaftsgebäude auf das Haupthaus übergesprungen, und im letzten Krieg hat es auch etwas abbekommen. Die Familie hat es immer wieder aufgebaut und weiter darin

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