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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Tochter denn »November«?
    »Mein Bruder hieß Jules, mein Vater Augustus und meine Schwester April«, erklärte sie und verzog den Mund zu einem Lächeln, das nicht besonders fröhlich aussah. »Das ist ein Tick in meiner Familie. Ich hatte einfach Pech.« Hieß? War der Bruder tot? Das war kein Thema, das ich jetzt vertiefen wollte. Sie sah sogar traurig aus, wenn sie lächelte, und ich wollte sie nicht noch trauriger machen.
    »November ist aber wirklich ein schöner Name«, beteuerte ich schnell.
    Sie zuckte die Achseln und stand auf, um die Treppe nun endlich ganz hinunterzukommen. »Dezember wäre wohl noch schlimmer gewesen«, sagte sie. »Egal. Nova für meine Freunde.« Sie reichte mir ihre kleine, schmale Hand.
    »Nun hör schon auf, mit dieser Landpomeranze zu flirten«, rief Jeannie ungeduldig. »Komm schon, Ary. Sei nicht so langweilig!«
    Ich erwiderte den ernsten Blick aus diesen unglaublichen grauen Augen und antwortete automatisch: »Halt den Mund.«
    Nova riss die Augen weit auf. »Bitte?«
    Ich stöhnte unwillkürlich. »Hab nicht mit dir geredet. Sorry!«
    Sie drehte ostentativ den Kopf von rechts nach links, nach oben und nach unten. »Sondern?«
    I ch sah Jeannies freches Grinsen und ballte die Fäuste. Das und mein Gesichtsausdruck schienen Nova zu erschrecken, denn sie machte einen Schritt zurück und fasste nach dem Treppengeländer. Ich lächelte – wie ich hoffte, beruhigend – und breitete die Hände aus. Schon wieder. Schau, ich bin unbewaffnet und harmlos.
    »Das ist schwer zu erklären«, sagte ich. Ich zuckte die Schultern und setzte mit einem Lachen hinzu: »Du weißt doch, dass ich plemplem bin.«
    Sie ließ das Geländer los, aber ihr Blick blieb misstrauisch. »Also, was willst du?« Das klang nicht mehr allzu freundlich. Ich schoss einen wütenden Blick zu Jeannie, die wieder gelangweilt ihre Fingernägel betrachtete. Lar? Nein, heute definitiv Lemur!
    »Lizzie vom Dorfladen meinte, ich sollte mich hier nach dem Haus an der Klippe erkundigen. Bei Ms Burges.« Ich holte tief Luft. »Du wohnst dort, oder?«, fragte ich.
    Nova sah mich überrascht an. »Ich wohne hier«, sagte sie kühl. »Eliette kommt gleich.« Sie schien keine Lust mehr zu haben, sich mit mir zu unterhalten. Sie hielt sich immer noch am Treppengeländer fest und warf Blicke ins obere Geschoss, als riefe sie eine höhere Macht an, sie von mir zu erlösen. Im Halbdunkel schimmerte ihr Haar wie Mondlicht und ihr Profil war so zart wie das einer Elfe.
    Der Roshi lachte. »Êdorian, du besitzt wahrhaftig eine poetische Ader, aber deine Bilder sind schauderhaft. Wir sollten deinen Stil an klassischer japanischer Dichtkunst schulen.«
    Ich zwang mich, ihm nicht zu antworten. Es war so schon schlimm genug. »Nova«, sagte ich, »ich bin nicht wirklich verrückt.«
    S ie sah mich nicht an. »Nein, sicher«, sagte sie, aber ich konnte an ihrem Tonfall hören, was sie wirklich dachte.
    Die Tür, die aufging, erlöste uns beide aus dieser Situation. Eine Frau, ungefähr in Lizzies Alter, stellte einen tropfenden Regenschirm in den Ständer neben dem Eingang und kam dann herein. Sie sah mich fragend an, während sie ihren Mantel auszog. »Kann ich dir helfen?« Ihr Blick flog zu Nova. »Oder ist er ein Freund ...?«
    »Nein, nein«, sagte Nova so laut und energisch, dass mein Gesicht ganz heiß wurde. Ich schien ja einen hervorragenden Eindruck hinterlassen zu haben! »Er wohnt im Kutscherhaus.«
    »Ah, die Männerwirtschaft.« Die Frau lächelte mich an und reichte mir die Hand. »Eliette Burges. Ich betreue unser kleines Museum.«
    »Adrian«, sagte ich. »Adrian Smollett. Ich interessiere mich für das Haus an der Klippe. Wer da wohnt und ... und alles. Lizzie sagte, ich sollte Sie fragen.«
    »Heathcote Manor.« Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe hinter der Tür und strich sich über die Haare. Ihr Blick flog zu Nova, als bereite ihr irgendetwas Sorge. »Hast du ihm die Broschüre gegeben?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. Ihre Miene war verschlossen und sie wich meinem Blick aus. Ganz offensichtlich hatte sie nicht die mindeste Lust, sich weiter mit mir zu beschäftigen. »Ich muss noch Vokabeln lernen«, sagte sie.
    »Dann geh, Liebes.« Eliette Burges nickte ihr zu, sie wirkte beinahe erleichtert. Warum? »Ich kümmere mich um den jungen Herrn Smollett.«
    Nova lief die Treppe hinauf. Ich hörte über meinem Kopf die D ielen des alten Hauses unter ihren leichten Schritten knarren und schluckte schwer an

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