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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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mit der Bettwäsche und den Bettdecken war
besonders schwer und schwierig zu tragen; auf der Treppe
zum ersten Stock mußte sie alle paar Stufen eine Pause
einlegen. Immer wenn sie etwas Schweres zu tragen
versuchte, kam es ihr so vor, als wollte ihr rechtes Bein
unter ihr nachgeben. Die Kiste mit dem Geschirr, den
Pfannen und den Lebensmitteln mußte sie auf den
Küchentisch hieven. ›Ich hätte mich darauf verlassen
sollen, daß die Umzugsleute morgen rechtzeitig kommen‹,
dachte sie – aber sie hatte aus Erfahrung gelernt, auch
»fest zugesagten« Lieferterminen gegenüber skeptisch zu
sein. Sie hatte eben ihre Kleider aufgehängt und sich
Kaffee gemacht, als das Telefon läutete.
In der Stille des Hauses hatte das Klingeln die Wirkung
eines lauten Knalls. Pat sprang in die Höhe und zuckte
zusammen, als ein paar Tropfen Kaffee auf ihre Hand
fielen. Sie stellte die Tasse schnell auf den Tisch und
langte nach dem Telefon. »Pat Traymore.«
»Hallo, Pat.«
Sie umklammerte den Hörer, da sie sich zwingen wollte,
ihrer Stimme einen ganz und gar freundlichen Klang zu
geben. »Hallo, Sam.«
Samuel Kingsley, Kongreßabgeordneter des 26th
District of Pennsylvania, der Mann, den sie von ganzem
Herzen liebte – der zweite Grund, warum sie sich
entschlossen hatte, nach Washington zu ziehen.

2
    Vierzig Minuten später kämpfte Pat gerade mit dem
Verschluß ihrer Halskette, als das Läuten der Türglocke
Sams Ankunft ankündigte. Sie hatte sich umgezogen und
trug nun ein jägergrünes Wollkleid mit Satinlitzen. Sam
hatte ihr einmal gesagt, daß Grün das Rot ihrer Haare erst
richtig zur Geltung brächte.
    Es läutete noch einmal. Ihr zitterten zu sehr die Finger,
als daß sie den Verschluß hätte schließen können. Sie
schnappte sich die Handtasche und ließ ihre Halskette
hineingleiten. Während sie die Treppe hinuntereilte,
versuchte sie sich zu zwingen, ruhig zu erscheinen. Sie
machte sich noch einmal klar, daß Sam sie in den acht
Monaten seit dem Tod seiner Frau Janice nicht einmal
angerufen hatte.
    Auf der untersten Stufe wurde ihr bewußt, daß sie mal
wieder ihr rechtes Bein schonte. Sam hatte einmal darauf
bestanden, daß sie wegen ihres Hinkens einen Spezialisten
aufsuchte, und hatte sie so dazu gebracht, ihm die
Wahrheit über die Verletzung zu gestehen.
Im Foyer zögerte sie einen Moment, dann öffnete sie
langsam die Tür.
    Sam füllte beinahe den ganzen Türrahmen aus. Das
Licht von draußen brachte die silbernen Strähnen in
seinem dunkelbraunen Haar zum Leuchten. Seine
haselnußbraunen Augen blickten aufmerksam und
amüsiert unter buschigen Augenbrauen hervor. Aber das
Lächeln, mit dem er sie dann anschaute, war sein altes
Lächeln, herzlich und allumfassend. Sie standen linkisch
da, jeder erwartete vom anderen, daß er den ersten Schritt
tat und damit den Tenor ihres Wiedersehens bestimmte.
Sam trug einen Besen in der Hand. Er überreichte ihn ihr
feierlich.
    »Bei mir im Viertel wohnen Mennoniten. Bei ihnen gibt
es den Brauch, beim Einzug in ein neues Haus einen
Besen und Salz zu überreichen.« Er langte in seine Tasche
und holte ein Salzfäßchen hervor. »Geschenk des
Hauses.« Er trat herein, legte ihr die Hände auf die
Schultern und beugte sich herab, um sie auf die Wange zu
küssen. »Willkommen in unserer Stadt, Pat. Schön, daß du
da bist.«
    So ist die Begrüßung also, dachte Pat. Alte Bekannte, die
sich wiedersehen. Washington ist zu klein, als daß man
einem Menschen aus der Vergangenheit aus dem Weg
gehen könnte; also tritt ihr entgegen, biete ihr die Stirn
und lege gleich die Spielregeln für die Zukunft fest. Nicht
mit mir, dachte sie. Jetzt fangen wir ein ganz neues Spiel
an, Sam, und diesmal will ich gewinnen.
    Sie küßte ihn und drückte ihm gerade lange genug die
Lippen auf den Mund, bis sie spürte, wie sich alles in ihm
spannte. Dann trat sie zurück und lächelte leichthin.
    »Woher wußtest du, daß ich da bin?« fragte sie. »Hast
du mir hier Wanzen einbauen lassen?«
»Das nun nicht gerade. Abigail hat mir gesagt, daß du
morgen zu ihr ins Büro kommst. Daraufhin habe ich bei
Potomac Cable angerufen und mir deine Telefonnummer
geben lassen.«
»Ach so.« Die Art, wie Sam die Senatorin Jennings
erwähnt hatte, hatte eine gewisse Vertrautheit
durchklingen lassen. Pat fühlte ein merkwürdiges Stechen
in der Herzgegend und blickte zu Boden, weil sie nicht
wollte, daß Sam ihren Gesichtsausdruck sah. Sie

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