Das Haus der Madame Rose
wirkte alles so mühelos, aber ich wusste, dass es das nicht war. Diese junge Frau konnte mit Blumen umgehen.
Eines Morgens war sie ganz aufgeregt. Sie fuhr den armen Blaise an, der weiter seinen Aufgaben nachging wie ein tapferer kleiner Soldat angesichts des Feindes. Ich fragte mich, was diese Nervosität wohl ausgelöst hatte. Immer wieder sah sie auf die Wanduhr, immer wieder trat sie vor die Ladentür, deren Glocke jedes Mal leise klingelte, sie stellte sich mit den Händen in den Hüften auf die Straße und blickte die Rue Childebert hinauf und hinunter. Das Ganze war mir schleierhaft. Auf wen wartete sie? Auf einen Verlobten? Eine Sonderlieferung?
Und plötzlich, als ich schon dachte, ich könnte dieses Warten nicht mehr aushalten, erschien eine Kundin auf der Schwelle. Es war die reizendste Dame, die ich je gesehen habe.
Sie schwebte in den Laden herein wie auf einer Wolke. Ach je, wie kann ich sie Dir nur beschreiben? Selbst Blaise beugte ehrerbietig das Knie. Sie war so zierlich, so hübsch wie eine Porzellanpuppe. Natürlich trug sie die neueste Mode: eine malvenfarbene Krinoline (die Kaiserin trug in jenem Jahr ausschließlich diese Farbe), ein weißer Spitzenkragen und Spitzenmanschetten, die Haube stand dazu in allerschönstem Kontrast. Sie war mit ihrer Zofe gekommen, die an jenem sonnigen Frühlingsnachmittag draußen wartete.
Ich konnte meine Augen nicht von dieser zauberhaften Fremden nehmen. Ihr Gesicht war ein regelmäßiges Oval, sie hatte schöne dunkle Augen, einen milchhellen Teint, perlweiße Zähne und glänzendes schwarzes Haar, das zu einem geflochtenen Dutt aufgesteckt war. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, ahnte aber gleich, dass sie für Alexandrine ausgesprochen wichtig sein musste. Die Dame streckte ihre kleinen weißen Hände aus, und Alexandrine nahm sie voller Bewunderung in die ihren.
»O Madame, ich dachte schon, Sie würden nicht mehr kommen!«
Die liebreizende Dame warf den Kopf zurück und lachte fröhlich.
»Aber, aber, Mademoiselle! Ich hatte Ihnen doch ausrichten lassen, dass ich um zehn hier sein wollte, und hier bin ich –nur mit ein paar Minuten Verspätung! Wir haben viel Arbeit vor uns, nicht wahr? Gewiss haben Sie schon wunderbare Ideen für mich.«
Ich starrte sie so gebannt an wie Blaise, dem der Mund offen stand.
»O ja, ich habe ganz prächtige Ideen, Madame. Ich werde sie Ihnen gleich vorführen. Doch erlauben Sie, dass ich Ihnen zuerst meine Vermieterin Madame Bazelet vorstelle?«
Die Dame drehte sich mit einem anmutigen Lächeln zu mir um, ich stand auf, um sie zu begrüßen.
»Sie heißt Rose«, sagte Alexandrine. »Ist das nicht ein entzückender Name?«
»Aber ja! Ausgesprochen entzückend.«
»Madame Rose, das ist meine beste und liebste Kundin, die Baronne de Vresse.«
Die kleine weiße Hand drückte die meine, und auf Alexandrines Wink hin eilte Blaise ins Hinterzimmer und holte Skizzen, die sorgfältig auf dem großen Tisch ausgebreitet wurden. Ich wollte unbedingt wissen, worum es bei dem Ganzen ging.
Es dämmerte mir, als die Baronne ausführlich ein Kleid beschrieb. Ein Ballkleid. Meine Güte, es war ein hochherrschaftlicher Ball – die Kaiserin persönlich gab sich die Ehre. Prinzessin Mathilde, die Cousine des Kaisers, der Präfekt und dessen Frau sowie andere Persönlichkeiten aus Adelskreisen wurden erwartet.
Alexandrine verhielt sich so, als sei das alles ganz normal, ich dagegen war ganz außer mir vor Aufregung. Das Kleid wurde natürlich von dem berühmten Couturier Worth in der Rue de la Paix geschneidert, den alle modebewussten Damen bemühten. Die Robe der Baronne war, wie sie sagte, grellrosa, mit weit ausgeschnittenem Dekolleté, umrahmt von einer üppigen Spitzen-Berthe, die Krinoline bestand aus ganzen fünf Volants und einem Überrock mit Quasten. Alexandrine zeigte ihr die Skizzen. Sie hatte für die Frisur und die Korsage der Baronne einen schmalen Kranz aus rosa Rosenknospen, Perlmutt und Strass vorgesehen.
Was für hinreißende Zeichnungen! Ich war beeindruckt von Alexandrines Talent. Kein Wunder, dass die Damen ihren Laden stürmten. Du wirst sicher staunen, dass ich, die ich der Kaiserin und ihrer Oberflächlichkeit immer so kritisch gegenüberstand, so eine Bewunderung für die Baronne de Vresse aufbringen konnte. Ich will ehrlich zu Dir sein, Liebster: Sie war einfach bezaubernd. Sie hatte nichts Seichtes, nichts Hohles an sich. Sie fragte mich verschiedentlich um Rat, als würde er ihr wirklich etwas
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