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Das Haus der Madame Rose

Das Haus der Madame Rose

Titel: Das Haus der Madame Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatiana de Rosnay
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zulassen, dass dieser Mann unser leeres Haus bekommt.
    Es wird immer schwieriger, Dir zu schreiben, Liebster. Der Straub dringt bis hier herunter. Ich muss husten und keuchen. Wie lange es wohl dauert? Jetzt ist es ein fürchterliches Knarren und Ächzen. Das Haus bebt wie ein waidwundes Tier, wie ein Schiff inmitten eines tosenden Sturms.
    Es ist unaussprechlich. Ich will die Augen schließen. Ich will an das Haus denken, so wie es war, als Du noch lebtest, in all seiner Pracht, als Baptiste noch lebte, als wir wöchentlich Gäste hatten, als Essen aufgetischt wurde, der Wein floss und Lachen die Räume erfüllte.
    Ich denke an unser Glück, an unser glückliches, bescheidenes Leben, das sich mit diesen Wänden, den brüchigen Tapeten unserer Existenz verwoben hat. Ich denke an die hohen, großen Fenster, die mir abends mit ihrem warmen, einladenden Schein den Weg leuchteten, wenn ich aus der Rue des Ciseaux zurückkam. Und Du standest da und erwartetest mich. Ich denke an unser verlorenes Viertel, an die schlichte Schönheit der engen Straßen, die von der Kirche ausgingen und an die sich keiner mehr erinnern wird.
    Oh, da fingert jemand an der Falltür herum! Mit rasendem Herzen kritzle ich Dir das in aller Eile und Panik hin. Ich weigere mich zu gehen, ich werde nicht gehen. Wie haben sie mich hier gefunden? Wer hat ihnen gesagt, dass ich mich verstecke? Rufe, Schreie, eine schrille Stimme ruft meinen Namen, wieder und wieder. Ich wage es nicht, mich zu rühren. Es herrscht so ein Lärm, dass ich nicht hören kann, wer nach mir ruft … Ist es …? Die Kerze blakt in den dichten Staubwolken, ich kann mich nirgends verstecken. Gott steh mir bei! Ich bekomme keine Luft. Donnergrollen über mir. Jetzt, jetzt ist die Flamme ausgegangen, ich schreibe in der schwarzen Dunkelheit weiter, hastig und voller Angst, jemand kommt hier herunter …

Le Petit Journal, 28. Januar 1869
    Ein grausiger Fund wurde in der ehemaligen Rue Childebert gemacht, die für den Bau des neuen Boulevard Saint-Germain abgerissen wurde. Arbeiter, die den Schutt wegschaufelten, fanden die Leichen zweier Frauen, die sich im Keller eines der zerstörten Häuser versteckt hatten. Sie wurden identifiziert als Rose Cadoux, 59, verwitwete Bazelet, und Alexandrine Walcker, 29, ledig, angestellt in einem Blumengeschäft in der Rue de Rivoli. Allem Anschein nach kamen sie beim Abriss des Hauses ums Leben. Warum die Frauen sich in einem Gebiet aufhielten, das für die Verschönerung der Stadt nach den Plänen des Präfekten evakuiert worden war, ist weiterhin ungeklärt. Fest steht nur, dass Madame Bazelet im vergangenen Sommer zu einer Anhörung im Hôtel de Ville gewesen war, bei der sie sich laut einer Aktennotiz dagegen ausgesprochen hatte, ihr Haus zu verlassen. Madame Bazelets Tochter, Madame Pesquet aus Tours, sagte aus, sie hätte ihre Mutter schon vor drei Wochen erwartet. Auf die Frage unseres Journalisten gab der Justiziar der Präfektur an, dass sich der Präfekt zu dieser Angelegenheit nicht äußern werde.

Nachwort der Autorin
    Ich bin in Paris geboren und aufgewachsen, und wie die meisten Pariser liebe ich meine Stadt. Ihre Geschichte und ihre Vielfalt haben mich schon immer fasziniert. Napoleon III., von 1852 bis 1870 Kaiser der Franzosen, und Baron Haussmann, der 1853 zum Präfekten von Paris ernannt wurde, betrieben die damals so dringend erforderliche Modernisierung der Stadt und verliehen ihr das Erscheinungsbild, das bis heute erhalten ist.
    Ich habe mich jedoch oft gefragt, wie es für die Menschen war, Zeugen dieser Veränderungen zu werden, und was es für sie bedeutete, das geliebte Heim zu verlieren – wie es Rose widerfuhr. Jene achtzehn Jahre der »Verschönerung« von Paris – bis zur Ausrufung der Kommune 1871 – müssen für die Pari ser die Hölle gewesen sein. Émile Zola schildert – und kritisiert – sie virtuos in seinem Roman Die Beute , erschienen 1871. Auch Victor Hugo, Charles Baudelaire und die Brüder Goncourt verliehen ihrem Missfallen darüber Ausdruck. Doch sosehr Haussmann die Pariser auch gegen sich aufbrachte, sein Lebenswerk ist unstrittig das Fundament der modernen Anlage der Stadt.
    Ich habe mir in diesem Briefroman nur sehr wenige Freiheiten in Bezug auf Daten und Orte erlaubt. Die Rue Childebert, Rue d’Erfurth, Rue Taranne, Rue Sainte-Marguerite, Rue Beurrière, Rue Sainte-Marthe sowie die Place Gozlin und die Passage Saint-Benoît gab es vor 140 Jahren tatsächlich noch im Quartier

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