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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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habt Feinde unter den Maschinenwesen, das ist sicher. Aber es gibt unter ihnen auch Verbündete und Sympathisanten wie Hesperus. Er war nicht der Einzige. Am besten wäre es, wenn die progressiven Elemente der menschlichen Metazivilisation einen Vorstoß unternehmen und ihre Pendants im Raum der Maschinenzivilisation in die Arme schließen würden. Die Familien könnten dabei eine herausragende Rolle spielen – auch eine dezimierte, ausgelaugte Familie, an deren Händen Blut klebt.«
    »Die Familie Gentian?«
    »Genau.«
    »Wir sind am Ende. Soviel ich weiß, bin ich der letzte Überlebende.«
    »Das glaube ich nicht, Splitterling.«
    Er hatte begonnen, sich aufzulösen. Die ersten Glasmurmeln lösten sich aus dem Verband und flogen davon. Mit seiner bereits unvollständigen Hand fasste er sich zerstreut an die Stirn. »Ich hätte es schon eher erwähnen sollen. Deiner Einschätzung nach hast du das Wurmloch vor dreitausend Jahren verlassen, nicht wahr?«
    Ich nickte unbehaglich. »So ungefähr.«
    »Die Silberschwingen ist viel eher ausgetreten. Das Schiff wurde beim Durchflug so stark beschädigt, dass es nur noch langsam fliegen konnte. Es erreichte den Orbit dieser Welt vor siebzehneinhalbtausend Jahren.«
    Ich hatte das Gefühl, der Felsboden gäbe unter mir nach – auf einmal war all meine Hoffnung zerstört. Eben noch war sie wie ein Sonnenstrahl durch eine Wolkenlücke gefallen und hatte einen Lichtschimmer ins Dunkel gebracht.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ich habe dir gesagt, das Wurmloch sei noch in Konsolidierung begriffen. Du musst daher abwarten, bis es sich stabilisiert hat. Du wirst schon zurechtkommen. Es ist ja nicht so, dass du keine Erfahrung mit großen Zeiträumen hättest.«
    »Du hast erwähnt, du hättest Hesperus gefunden. Was ist mit Portula passiert? Hast du sie in Stasis angetroffen?«
    »Ich habe den Roboter gefunden. Er hat das sterbende Schiff verlassen und ist vom Himmel gefallen. An Bord konnte niemand mehr überleben – da der Antrieb jeden Moment zu detonieren drohte, wäre es viel zu gefährlich gewesen, in Stasis zu bleiben. Seinem Gedächtnis habe ich entnommen, dass es auch nicht möglich war, zu landen oder ein Shuttle zu benutzen.«
    Hesperus musste auch nach dem Durchtritt durch das Wurmloch noch schwerwiegende Defekte gehabt haben. Da das Schiff nicht dem gentianischen Signal gefolgt sein konnte, war es vermutlich dem einzigen Hinweis auf die Aktivität von Intelligenzen gefolgt, den es hatte feststellen können – dem platonischen Modell mit dem Stern in der Mitte.
    »Hat er Portula mitgebracht?«
    »Ich möchte dir den Roboter zeigen, Splitterling – er dürfte dich interessieren. Es dauert nicht lange – er befindet sich im Urwald, am Fuße des Plateaus.« Der Glasmensch beugte sich über die Felskante. »Tritt vor!«
    »Was?«
    »Es sei denn, du weißt eine bessere Möglichkeit, nach unten zu gelangen. Auf das Raumschiff würde ich dabei nicht setzen – es ist viel zu groß. Nur keine Angst – ich fange dich auf.«
    »Also muss ich dir vertrauen.«
    »Ja«, sagte der Glasmensch, »genau darum geht es. Von heute an wird Vertrauen eine viel größere Rolle spielen als zuvor. Wie wäre es, wenn wir jetzt gleich danach handeln würden?«
    Ich schloss die Augen. Mir kam der Gedanke, dass dies vielleicht die Strafe war; dass die Ersten Maschinen den Glasmenschen zurückgelassen hatten, um einen Vertreter der menschlichen Spezies zu quälen und stellvertretend an ihm Rache zu üben anstatt an der ganzen Metazivilisation.
    Aber wie Hesperus einmal gesagt hatte: Rache war etwas für biologische Wesen. Maschinen dachten anders.
    Ich trat ins Leere.
    Einen Moment lang fühlte ich mich schwerelos und fürchtete schon, ich sei hereingelegt worden. Dann aber holten mich die Einzelteile des Glasmenschen ein und fingen mich auf, so wie der Luftgeist mich auf Neume aufgefangen hatte. Die Murmeln schoben sich unter meine Arme, meinen Rücken und die Beine.
    Ich sank durch den Nebel in die Tiefe, erst auf einen tosenden Wasserfall zu und dann hinein in das grüne Zwielicht des Urwalds. Tierisches Leben gab es keins; kein Wesen mit Verstand oder einem Mund. Abgesehen vom Säuseln des Laubs, dem Knarren der alten Baumstämme und dem Rauschen des herabstürzenden Wassers, das dem Hintergrundgeräusch zahlloser Quasare glich, war es still. Noch immer schwebend, näherten wir uns dem Fuß der Felswand. Der Nebel glich einer weißen Decke, durch die stellenweise der blaue Himmel oder ein

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