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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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her. Ein Luftzug, erzeugt vom Wettersystem des Hangars, wehte mir das Haar in die Stirn. Ich war so lange nicht mehr hier gewesen, dass mein Eintreten das Gleichgewicht der Binnenatmosphäre gestört hatte.
     
    Es kommt vor, dass man in den Ruhezustand geht und meint, das Gewicht der ganzen Welt auf den Schultern zu spüren, und wenn man wieder aufwacht, haben sich alle Probleme auf einmal verkleinert – sie sind noch da, verlangen immer noch nach Aufmerksamkeit, doch sie wirken nicht mehr so bedrohlich wie zuvor.
    Wir verzögerten plötzlich und heftig, belasteten den Antrieb bis zum Limit. Bis zu dem Moment, da wir langsamer wurden und uns wie an einer Wand herabrutschende Katzen ins Raum-Zeit-Gefüge verkrallten, war unsere Annäherung vermutlich unbemerkt geblieben.
    Zwei Prozent Lichtgeschwindigkeit waren nach den Maßstäben der Familie Gentian so gut wie nichts – diese Geschwindigkeit war so unmerklich langsam, dass man sie am besten in Sekundenkilometern maß, eine Größe, die für gewöhnlich der Fortbewegung innerhalb einer Planetenatmosphäre vorbehalten ist. Allerdings war das immer noch sehr viel schneller als die Orbitalbewegung der Himmelskörper des Sonnensystems, der Planeten, Monde und des Staubs und der Trümmer der zerstörten Welt. Campion war bereits zwei Lichtminuten – sechsunddreißig Millionen Kilometer – entfernt, denn er hatte das Trennungsmanöver schon vor Stunden begonnen. Jetzt bewegten sich unsere Schiffe wie Kugeln eines doppelläufigen Gewehrs auf parallelen Flugbahnen, und so würde es auch bleiben, wenn wir die Wolke durchflogen, sie mehr oder weniger an der breitesten Stelle durchstießen und rechts und links an der Sonne vorbeikamen. Beide Schiffe würden das umliegende Raumvolumen scannen und nach Anzeichen technischer Aktivitäten Ausschau halten. In Anbetracht der hohen Empfindlichkeit unserer Sensoren sollte es uns möglich sein, zwanzig Prozent des Volumens der Wolke so gründlich zu durchforsten, dass uns typische Raumschiffssignaturen nicht entgehen würden. Allerdings gab es Versteckmöglichkeiten in der Wolke: heiße Knoten und Strömungen, die von den Gezeitenkräften der verbliebenen Welten verursacht wurden. Darin konnte sich ein Raumschiff vor Sensoren, die für Gravitation und Wärme empfindlich waren, verstecken.
    Währenddessen würden wir uns bemühen, nicht bemerkt zu werden. Das bedeutete, dass wir nur dann Verbindung aufnehmen würden, wenn es unumgänglich war; im Innern der Wolke bestand die Gefahr, dass ein gebündelter Funkstrahl von den Staubpartikeln gestreut wurde, so dass Fremde unsere Funksprüche hätten detektieren, wenn nicht gar entschlüsseln können. Außerdem durften wir den Antrieb nur möglichst selten einsetzen und die Impassoren nur dann auf volle Leistung hochfahren, wenn eine Kollision drohte. Mit anderen Worten, wir mussten Funkstille bewahren und uns voll und ganz auf die passiven Sensoren verlassen.
    Ich beobachtete, wie Hesperus losflog. Bevor er an Bord der Vespertina gegangen war, hatten wir uns die Hände gereicht. Seine fühlten sich kalt an, sehr metallisch, aber auch irgendwie nachgiebig. Dann zog er seine Hand zurück und trat durch den blau erleuchteten Eingang des goldenen Raumschiffs. Der Eingang verschwand in der verschwommenen Oberfläche des Rumpfes. Ein Summen schwoll an und stabilisierte sich. Kurz darauf verschwamm der Rumpf noch mehr, als betrachtete ich das goldene Raumfahrzeug durch einen Tränenschleier hindurch. Die Vespertina entfernte sich vom Laufgang und löste sich aus der Schwebevorrichtung. Das Geländer stellte sich wieder her. Ich klammerte mich daran fest und beobachtete, wie Hesperus sein Raumfahrzeug zwischen den viel größeren und dunkleren Schiffen im Hangar hindurchmanövrierte. Nach und nach verwandelte es sich in ein unscharfes Körnchen aus selbstleuchtendem Gold. Das Hangartor war weit geöffnet. Hesperus durchdrang die Luftsperre und gelangte in den leeren Raum. Dann wartete er ein paar Sekunden, bevor er den Antrieb einschaltete. Als die gewaltige Beschleunigung einsetzte, verschwand er unvermittelt.
    Ich schaute zu, wie das Tor sich schloss, dann flitzte ich zur Brücke.
    »Die Vespertina ist gestartet«, berichtete ich Campion.
    Seine Antwort traf vier Minuten später ein. »Ich habe nichts bemerkt, und ich habe sehr genau hingeschaut. Ich hoffe, das ist ein günstiges Vorzeichen, falls wir Schwierigkeiten bekommen sollten.«
    Sein Bild basierte auf den gespeicherten Erinnerungen

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