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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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ernst.«
    »Das ist nur wegen Zweiter Tante Doris, nicht wahr? Sie ist es, die dir diese Flausen in den Kopf setzt!«
    »Das sind keine Flausen.«
    »Wie viele Chinesen, meinst du, lassen sie dort zu?«
    »Adrian Woo zum Beispiel …«
    »Und wie viele Chinesinnen , frage ich? Die Universität von Cambridge, ach wirklich … und was kommt als Nächstes? Wahrscheinlich willst du die Titanic heben, nicht wahr?«
    »Abdul Rahman, der Sohn des Sultans von Kedah, hat auch in Cambridge studiert.«
    »Ach, du hältst dich also für die Tochter eines Sultans?«
    »Und die Dichterin Sarojini Naidu war am Girton!«
    »Noch nie von ihr gehört.«
    »Sie war die erste Frau, die zur Vorsitzenden des indischen Nationalkongresses gewählt wurde. Und dann ist da noch dieser Nehru, ein indischer Staatsmann. Er war am Trinity.«
    »Hör zu, wenn du verheiratet bist, kannst du machen, was du willst.«
    »Eigentlich solltest du mir helfen, meine Talente zu entwickeln. Aber der einzige Mensch in dieser Familie, der meine akademischen Leistungen zu schätzen weiß, ist Zweite Tante Doris.«
    » Cha! Unterlass es, den Namen dieser Frau in den Mund zu nehmen! Sie bestärkt dich immer nur in deinen närrischen Ideen!«
    »Das stimmt.«
    »Es ist aber wichtig, dass du zuerst einen guten Ehemann findest. Danach kannst du meinetwegen zur Fremdenlegion gehen. Du heiratest Chow Cheam, und Schluss.«
    »Das werde ich nicht tun!«
    Ihr Vater kam ins Zimmer. »Was soll dieses Theater?«
    »Ich will Cheam Chow nicht heiraten, Ah-Ba!«
    »Du tust, was man dir sagt.«
    »Wenn du mir nicht endlich zuhörst, sehe ich mich gezwungen, zu drastischeren Mitteln zu greifen!«
    Sein Gesicht lief vor Wut rot an. »Du bist noch jung und ungestüm. Geh jetzt schlafen! Morgen früh hast du bestimmt eingesehen, wie unbesonnen deine Worte sind. Wenn du eine Nacht darüber geschlafen hast, wirst du in deinem tiefsten Inneren die Wahrheit erkennen.«
    In ihrem tiefsten Inneren war Lu See jedoch nur eines klar gewesen, nämlich dass dieser Tag, der Tag ihrer Hochzeit, niemals kommen würde. Sie war sich absolut sicher gewesen, dass sie den Einäugigen Riesen niemals heiraten würde.
    Als sie jetzt in ihrem Skizzenbuch blätterte, fiel ihr Blick auf das Stück Zeitungspapier, das sie auf die Vorsatzblätter geklebt hatte. Vor fünf Monaten, ein paar Tage, bevor Adrian wieder nach Cambridge zurückgefahren war, hatte man sie mit ihm zusammen auf dem Swettenham Ball fotografiert. Das Bild, das sie beide zeigte, war im Gesellschaftsteil der Malay Mail abgedruckt worden. Sowohl ihre als auch Adrians Eltern waren fuchsteufelswild gewesen. Sie jedoch hatte das Bild aus der Zeitung ausgeschnitten. Wie im Gebet versunken beugte sie sich oft über das unscharfe Foto und betrachtete sein Gesicht, während ihr dabei immer wieder der Gedanke durch den Kopf ging, welches Glück sie doch hatte. Adrian verkörperte alles, was sie sich wünschte: Er war intelligent, hatte Humor, sprach drei Sprachen fließend und sah umwerfend aus. Sein Lächeln vermochte den dunkelsten Raum zu erhellen.
    Ihr war bewusst, dass er Bewunderung verdiente. Er war ein Mann mit politischen Überzeugungen; jemand, der sich auf Botschaftsempfängen mit betagten Witwen ebenso gewandt unterhielt wie mit den Führern der kommunistischen Partei. Er besaß eben jene Autorität und Würde, nach der viele andere Männer oft ihr ganzes Leben lang vergebens strebten. Und jetzt, da er am Jesus College in Cambridge promovierte, gebot er Achtung, wo immer er auch hinging.
    Fünf Wochen , sagte sie sich, nur noch fünf Wochen, bis ich ihn wiedersehe . Vor Vorfreude ganz schwindelig, hauchte sie einen Kuss auf das Foto und drückte das Buch dann fest an ihre Brust.
    »Du weißt, er viel zu viel Zeit verschwendet mit sein Haare?«, fragte Sum Sum, deren sich nähernde Schritte auf dem Deck leise platschende Geräusche machten.
    Lu See seufzte kopfschüttelnd und verkniff sich eine Antwort.
    »Ich mir sicher, er in seiner Hosentasche hat immer eine Haarbürste, lah .«
    »Solltest du nicht die Koffer auspacken oder so?«
    »Kann ich nicht, lah . Kabinensteward sagt, er uns erst zu unser Kabine bringen kann, wenn Schiff abgelegt.«
    Ein paar Minuten später benetzte ein salziger Sprühnebel aus Seewasser Lu Sees Lippen. Einige Passagiere warfen Duftreis ins Wasser, andere Blumen, Luftschlangen oder kleine Stückchen Kokosnuss. Von begeisterten Rufen umgeben beobachtete sie, wie die Anker gelichtet wurden. Sie richtete ihren

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