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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Cheongsams auf gepolsterte Holzbügel, stellte Toilettenartikel auf Regalborde, wickelte dies aus und faltete jenes auseinander. Zuletzt nahm sie Lu Sees kleine Messingfigur von Ganesha, dem Hindugott mit dem Elefantenkopf, aus dem Koffer, und stellte ihn auf den Nachttisch neben dem Bett.
    Lu See rieb seinen kugelrunden Bauch. »Wir brauchen alle Hilfe, die wir von ihm bekommen können – dem Gott des Wagnisses, dem Gott, der Hindernisse beseitigt.«
    »Hindernisse beseitigt? Aiyoo , klingt wie wenn du hast Verstopfung.«
    Lu See öffnete das Fenster. Vom Promenadendeck oben wehten die Klänge der Swingmusik herein, die die Bordkapelle gerade spielte. Sie ging mit Schwung in den Yoga-Kopfstand, schloss die Augen und wartete auf das angenehme Gefühl, wenn das Blut in ihre Wangen strömte. Auf dem Kopf stehend warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr.
    »Ich habe Lust auf einen kleinen Spaziergang. Möchtest du etwas essen?«
    »Ja, schon, lah .« Sum Sum seufzte, während sie ihre Gebetsperlen um ihr Handgelenk band. »Wäre gut gewesen, wenn wir an Kai Kokosbonbons hätten gekauft. Ich sie schon vermisse.«
    »Wenn du das getan hättest, hätte Onkel Hängebacke uns doch noch erwischt.«
    Sie schlenderten unter den Sonnenschirmen des Lido-Decks entlang und sahen einer Gruppe von Passagieren zu, die sich spontan zu einer Runde Shuffleboard zusammengefunden hatten. Drei Stewards mit gold- und silberfarben glänzenden Tressen auf den Schultern gingen mit eisgekühltem Limonensaft zwischen den Liegestühlen umher. Lu See und Sum Sum nahmen sich jeweils ein Glas und nippten an dem kühlen Getränk, genossen die Kälte auf ihren Lippen.
    Ein kleines Stück weiter sahen sie einen hochgewachsenen Europäer, der, einen Pinsel in der Hand, vor einer Staffelei stand. Er trug einen blauen Blazer mit Goldknöpfen, dazu ein weißes Hemd und eine weiße Leinenhose. Seine Zähne erweckten den Eindruck, als wären sie zu groß für seinen Mund. Links von ihm stand ein muskulöser gepflegter Inder in einem khakifarbenen Safarianzug, der einen Sonnenschirm aus Papier hielt, um die Leinwand damit zu beschatten.
    Lu See blieb eine Weile hinter dem Europäer stehen, dann räusperte sie sich.
    »Gütiger Himmel! Sie haben mich zu Tode erschreckt!«
    Sie fragte: »Sind Sie der Kapitän?«
    »Sehe ich denn so aus?«
    »Ja, das tun Sie.«
    »Nun, ich bin aber nicht der Kapitän.«
    »Und wo ist dann der Kapitän?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    Sie legte den Kopf schief, um die Leinwand besser betrachten zu können. Sie erkannte ein paar geschwungene blaue und weiße Linien, die Wellen ähnelten, mit einem blauvioletten Klecks in der Mitte.
    »Das ist offensichtlich ein Boot auf dem Meer.«
    »Nein. Es ist ein Bild von Edinburgh.«
    »Das ist es nicht.«
    »Warum sollte ich Sie anlügen?«
    »Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass das kein Boot ist?«
    »Nein, es ist ein Bus, der die Princess Street entlangfährt.«
    »Und wo sind die Gebäude?«
    »Die habe ich noch nicht gemalt.«
    »Warum starren Sie aufs Meer hinaus, malen aber ein Bild von Edinburgh?«
    »Das ist doch nicht verboten, oder?« Er hielt inne. »Also gut, wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Meine Familie kommt aus Schottland.«
    In diesem Moment mischte sich Sum Sum in das Gespräch ein und gab ihr Repertoire von schottisch klingenden Sätzen, die sie vom Kaplan gelernt hatte, der die Teohs jeden Monat besuchte und aus Glasgow stammte, zum Besten.
    »Och, aye, das Kirrrchdach muss rrreparrriert werden. Mit Milch, aber ohne Zuckerrrr, bitte. Dein Königrrreich komme, dein Wille geschehe, Amen. Wirrr sehn uns in ein klein winzig Weilchen, Mädchen.«
    »Du liebe Güte! Ihre Freundin hat wohl einen kleinen Sonnenstich. Vielleicht sollte sie einen Hut aufsetzen. Diese Sonnenschirme aus Papier nützen nicht viel.«
    »Ach, kümmern Sie sich nicht um sie. Sie ist nur etwas nervös. Ich heiße übrigens Lucy. Lucy Apricot.«
    »Stan Farrell«, antwortete er und streckte ihr die Hand entgegen. Lu See ergriff sie und spürte, wie sich seine Finger um die ihren schlossen.
    »Wir gehen gerade zum Mittagessen«, sagte Lu See.
    »Ich esse nicht zu Mittag.«
    »Unsinn, jeder isst zu Mittag!«
    »Ich habe ausgiebig gefrühstückt.« Er holte eine Süßigkeit aus seiner Jackentasche. »Möchten Sie ein Weingummi?«
    »Sie sind ein sehr seltsamer Mann, Mr Farrell. Gehen Sie auch in Felixstowe von Bord?«
    Stan sog enttäuscht die Luft durch seine übergroßen Zähne.

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