Das Haus des roten Schlächters
willen!«
Cranston betrachtete
das grobknochige Gesicht des einbeinigen Bettlers, der sonst an
einem wackligen Stand an der Ecke der Milk Street billigen
Glitzerschmuck verkaufte.
»Nicht im Bett,
Leif? Auf der Suche nach ’ner Lady, was?«
»Sir John, man
hat mich beraubt!«
»Geh zum
Sheriff.«
»Sir John, ich
habe kein Geld und nichts mehr zu essen.«
»Dann bleib im
Bett.«
Leif lehnte sich an
die Wand. »Ich habe die Miete nicht bezahlt. Da bin ich aus
meiner Dachkammer geflogen«, klagte er.
»Na, dann geh
betteln bei St. Bartholomew«, kläffte Cranston und ging
weiter. Er hörte, wie Leif hinter ihm herhumpelte. »Sir
John, helft mir.«
»Verpiß
dich.«
»Danke, Sir
John«, rief der Bettler, als die Münzen klimpernd zu
Boden fielen. Leif kannte den dicken Coroner gut genug, um zu
wissen, daß Sir John es haßte, wenn man ihn bei
Mildtätigkeiten beobachtete.
Cranston blieb vor
seinem Haus stehen und schaute hinauf zu den erleuchteten Fenstern.
Leif wäre fast gegen ihn geprallt, und Cranston
schüttelte ihn ab. Was ist los mit Maude? fragte er sich. Er
hatte die Ehe immer mit dem Griff in einen Sack voller Aale
verglichen: Was man herauszog, war eine Frage des Glücks. Aber
er hatte doch solches Glück gehabt. Er betete Maude an, vom
mausfarbenen Haar auf ihrem Kopf bis zur Sohle ihrer winzigen
Füße.
Während er noch
gedankenverloren dastand, kam eine Gestalt aus der Gasse auf sein
Haus zu.
»In drei Teufels
Namen!« rief er. »Schläft denn niemand in dieser
Stadt?«
Der Mann trat
näher, und Cranston erkannte die Livree des
Bürgermeisters.
»In drei Teufels
Namen!« wiederholte er. »Noch mehr Ärger.«
Mit klappernden Zähnen und heiserer Stimme überbrachte
der junge Bote seine Nachricht.
»Sir John, der
Lord Mayor und seine Sheriffs wünschen Euch unverzüglich
im Rathaus zu sehen.«
»Geh zum
Teufel!«
»Danke sehr, Sir
John. Der Lord Mayor hat gesagt, Eure Antwort würde so
ähnlich lauten. Soll ich auf Euch warten?« Der junge
Mann schlug die Hände zusammen. »Sir John, mir ist
kalt.«
Unter weiteren
Beschimpfungen hämmerte Cranston an seine Haustür. Eine
schmalgesichtige Magd öffnete. Hinter ihr stand Maude,
vollständig angezogen, das liebe Gesicht
tränenverschmiert. Sir John grinste sie an, seine Beunruhigung
verbergend.
»Liebes Weib,
ich muß zum Rathaus - aber nicht ohne
Frühstück.« Er zog den jungen Boten ins Haus.
»Der hier muß auch essen. Er sieht aus, als hätte
er’s nötig.«
Cranston machte auf
dem Absatz kehrt, ging noch einmal hinaus und packte Leif beim
Kragen. »Dieser faule Hund leistet uns ebenfalls
Gesellschaft. Danach gibst du ihm was zu tun. Er bleibt über
Weihnachten bei uns.« Nun klopfte er sich auf den dicken
Bauch. »Für uns alle heiße Hafergrütze und
Würzkuchen.« Er schnupperte. »Und etwas von dem
frischgebackenen Weißbrot.« Er warf seiner Frau einen
gerissenen Blick zu. »Und Rotwein, heiß und
gewürzt. Und dann sag dem Hausknecht, ich brauche mein
Pferd.« Er grinste breit, sah aber, allem Gepolter zum Trotz,
wie blaß und krank seine Frau wirkte. Er schaute weg. O Gott,
dachte er, werde ich Maude verlieren? Er warf den Mantel ab, ging
an seiner Frau vorbei und berührte dabei sanft ihre
Schulter.
*
Athelstan teilte die
Kommunion aus und legte seinen Gemeindekindem die dünnen
weißen Hostien auf die Zungen. Crim hielt ihnen dabei den
Silberteller unters Kinn, um jeden Krümel aufzufangen, der
vielleicht herunterfiel. Der Gemeinderat war fast vollständig
erschienen; einige waren noch hereinspaziert, als die Messe schon
halb vorbei war.
Der Ordensbruder
wollte gerade zum Altar zurückkehren, als er an der
Außenmauer des Seitenschiffes ein Klopfen hörte.
Natürlich! Er hatte die Leprakranken vergessen, die beiden
unglückseligen Aussätzigen, denen er erlaubt hatte, im
muffigen Beinhaus auf dem Kirchhof unterzukriechen. Athelstan
versorgte sie mit Essen und Trinken sowie mit einer
Schüssel Wasser mit Maulbeeren, damit sie
sich waschen konnten. Noch nie hatte er ihre schorfigen
weißen Gesichter gesehen. Den Kleidern nach zu urteilen, war
einer fraglos ein Mann. Gern hätte er mehr für sie getan,
aber das kanonische Recht war unerbittlich: Ein Aussätziger
durfte nicht zusammen mit der übrigen Gemeinde die Kommunion
empfangen, sondern nur durch den Lepraspalt, ein kleines Loch in
der Kirchenmauer. Crim besann sich auf seine Pflichten, nahm einen
kleinen Eschenzweig und reichte ihn dem Ordensbruder. Der legte
eine
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