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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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gelöscht
werden. Cecily, stellst du den Aussätzigen Essen
hin?«
    Das Mädchen
starrte ihn töricht an und nickte.
    »Vergiß
nicht«, fügte Athelstan hinzu, »tagsüber
wandern sie ja meist umher und sorgen selbst für
sich.«
    Er lächelte selig
in die Runde seiner Lieblinge und lief dann rasch die vereiste
Kirchentreppe hinunter zum Pfarrhaus. Dort schnitt er sich eine
Scheibe Brot ab, spuckte aber schon den ersten Bissen wieder aus,
denn es schmeckte sauer und abgestanden. »Dann esse ich
unterwegs«, dachte er und packte Pergament, Federkasten und
Tintenhorn in seine Satteltasche. Philomel, sein altes
Schlachtroß, wieherte leise und stupste ihn, was ziemlich
lästig war, weil Athelstan gleichzeitig versuchte, den
Sattelgurt unter dem gewichtigen Bauch des betagten Rosses zu
befestigen.
    »Deine
Ähnlichkeit mit Cranston wird jeden Tag
größer«, brummelte Athelstan.
    Er führte
Philomel vor die Kirche und lief die Treppe hinauf. Cranston lehnte
an einem Pfeiler, gaffte Cecily an und versuchte gleichzeitig,
Bonaventura zu vertreiben, der ihm um die Beine strich. Seit seinem
Frankreichfeldzug konnte der Coroner Katzen nicht ausstehen; die
Franzosen hatten damals ihre Kadaver in eine kleine Festung, die er
hatte halten sollen, hineinkatapultiert, um ansteckende Seuchen zu
verbreiten. Bonaventura betete den Coroner an; er schien zu wissen,
wann dieser in der Nähe war, und erschien jedesmal.
    Athelstan wechselte
leise ein paar Worte mit Benedicta und lächelte Watkin und den
anderen zu. Dann holte er seinen Kapuzenmantel aus dem Chorraum und
kam gerade rechtzeitig zurück, um Cranston festzuhalten, der
sonst über Ursulas fette Sau gestolpert und kopfüber die
Treppe hinuntergefallen wäre. Der Coroner stürmte hinaus.
Mit warnendem Blick bestieg er sein Pferd und fluchte dröhnend
über Schweine in Kirchen, und daß ihm jetzt nichts
besser schmecken würde als ein Stück saftiger
Schweinebraten. Athelstan schwang seine Satteltasche über
Philomels Rücken, saß auf und führte Cranston davon
in den Fennel Alleyway, ehe er noch mehr Unheil anrichten
konnte.
    »Warum zum
Tower, Sir John?« fragte er eilig, um den Coroner
abzulenken.
    »Später,
Mönch!« schnarrte Cranston.
    »Ich bin
Ordensbruder und kein Mönch«, widersprach Athelstan
leise.
    Cranston rülpste
und nahm einen Schluck aus seinem Weinschlauch. »Was war
denn?« wollte er wissen.
    »Eine
Versammlung des Gemeinderates.«
    »Nein, ich meine
den Friedhof.«
    Athelstan berichtete,
und der Coroner wurde ernst.
    »Glaubst du, es
sind Satansanbeter? Die Schwarzen Fürsten der
Friedhöfe?« fragte er leise und lenkte sein Pferd
dichter an Athelstan heran.  
    Der verzog das
Gesicht. »Kann sein.«
    »Wer
sonst«, versetzte Cranston, »würde sich für
verwesende Leichen interessieren? Ich würde die Bande gern
ausrotten«, erklärte er mit schwerer Zunge. »In
meiner Abhandlung über die Londoner Verwaltung …«
Zwei blaue Augen musterten Athelstan, ob er etwa Langeweile zeigte,
wenn der Coroner sich über sein Lieblingsthema verbreitete.
»In meiner Abhandlung«, fuhr er fort, »schreibe
ich, daß jeder beim ersten solchen Vergehen eine schwere
Buße und beim zweiten Mal die Todesstrafe zu erwarten
hat.« Er zuckte die Achseln. »Aber vielleicht ist es ja
auch ein nicht so schlimmer
Frevel.«        
    Athelstan
schüttelte den Kopf. »So etwas ist nie nicht so
schlimm«, antwortete er. »Ich habe einmal in einer
kleinen Kirche bei Blackfriars einen Exorzismus miterlebt. Ein
Junge war von Dämonen besessen. Er redete in fremden Zungen
und schwebte über dem Boden. Er behauptete, die Dämonen
seien nach einer Zeremonie in ihn eingedrungen, bei der der
Leichnam eines Erhängten als Altar gedient
habe.«
    Cranston schauderte
es. »Wenn du Hilfe brauchst…«, bot er
zögernd an.
    Athelstan
lächelte. »Das ist sehr gütig von Euch, Lord
Coroner. Wie immer verschlägt mir Eure
Großzügigkeit die Sprache.«
    »Jeder Freund
unseres Herrn ist auch der meine«, witzelte Cranston.
»Selbst, wenn es ein Mönchlein ist.«
    »Ich bin
Ordensbruder«, erwiderte Athelstan. »Kein
Mönch.« Er schaute Cranston wütend an, der warf den
Kopf in den Nacken und und lachte brüllend über seine
ewigen Witzeleien auf Athelstans Kosten.
    Endlich
verließen sie die engen Gassen, wo sie stets dem Schnee
ausweichen mußten, der von den steilen Dächern
herunterrutschte. Sie bogen in die Hauptstraße ein, die zur
London Bridge führte. Die gepflasterte Straße

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