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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Hostie auf das Ende und schob sie durch den Lepraspalt. Das
wiederholte er und kehrte nach einem geflüsterten Gebet zum
Altar zurück, um die Messe zu Ende zu bringen.
    Nachher legte
Athelstan in der Sakristei seine Gewänder ab, und er
schloß seine Ohren vor dem Krach aus der Kirche: Watkin, der
Mistsammler, schob die Bänke zusammen für die Sitzung des
Gemeinderates. Athelstan kniete auf seinem Betstuhl, betete zu Gott
und hoffte, daß seine Gemeinde die grausigen Vorgänge
auf dem Friedhof übersehen werde.
    Als er in die Kirche
hinaustrat, wußte er, daß seine Gebete fruchtlos
gewesen waren. Watkin saß auf dem Ehrenplatz, die anderen
Gemeindemitglieder kauerten rechts und links von ihm auf den
Bänken. Crim hatte Athelstans Stuhl aus dem Chorraum geholt:
als er Platz nahm, sah Athelstan, daß Watkin eine höchst
wichtige Miene aufgesetzt hatte. Sein Blick flackerte
geheimnisvoll, und der Mund war geschürzt, als gälte es,
etwas sehr Bedeutendes zu verkünden.
    Auch Ursula, die
Schweinebäuerin, war gekommen; sie hatte, den Protesten der
anderen zum Trotz, ihre große fette Sau mitgebracht. Das Tier
watschelte behaglich grunzend umher. Athelstan war sicher,
daß das ärgerliche Geschöpf ihn angrinste, aber er
erhob keine Einwände. Besser hier als draußen. Ursula
war ein streitsüchtiges, aber gutherziges altes Weib. Dennoch
hegte der Bruder blinden Haß gegen ihre große,
fettbäuchige Sau, die in regelmäßigen
Abständen über seinen Garten herfiel und alles
Gemüse wegfraß, das er dort anzupflanzen versuchte.
Athelstan sprach ein Gebet zum Heiligen Geist und lehnte sich in
seinem Stuhl
zurück.        
    »Brüder und
Schwestern«, begann er, »willkommen zu unserer
Versammlung am Fest der heiligen Lucia.« Er ignorierte
Watkins Flackerblick. »Wir haben einiges zu
besprechen.« Er lächelte Benedicta zu und sah dann
erschrocken, daß Watkins Frau die Hure Cecily wütend
anfunkelte. Zwischen diesen beiden Frauen herrschte heftige
Antipathie; Watkins Frau hatte sich in der Vergangenheit oft laut
gefragt, weshalb ihr Mann eigentlich so oft mit Cecily die
Reinigung der Kirche besprechen mußte. Huddle, der Maler,
starrte mit leerer Miene auf eine kahle Wand; wahrscheinlich
träumte er von dem Bild, das er darauf malen würde, wenn
Athelstan ihm das nötige Geld gäbe. Der größte
Teil der Gemeindegeschäfte waren profane Angelegenheiten. Die
Tochter von Pike, dem Grabenbauer, wollte den ältesten Sohn
von Amisias, dem Walker, heiraten. Das große Buch des Blutes
wurde befragt, ob zwischen den beiden Familien eine
Blutsverwandtschaft bestand. Zu seiner Freude konnte Athelstan
bekanntgeben, daß es keine gab, und man wandte sich den
Fragen der nahenden Weihnachtszeit zu, sprach über die
Sternenfeier, die in der Kirche stattfinden würde, über
die drei Messen am Weihnachtstag, über die Nichtbezahlung von
Begräbnisgebühren und über die Angewohnheit der
Kinder, aus dem Weihwasserbecken zu trinken. Tab, der
Kesselschmied, erbot sich, neue Kerzenhalter zu machen, zwei
große, mit Löwen. Der Schreiber Gamelyn war bereit, zum
Ende jeder Weihnachtsmesse ein schönes Lied zu singen.
Athelstan war einverstanden mit dem Mummenschanz, der am
St.-Stephans-Tag in der Kirche stattfinden sollte, und es gab
einige Diskussionen über die Frage, wer am 28. Dezember, dem
Fest der Unschuldigen Kinder, die Rolle des Kinderbischofs spielen
sollte.
    Athelstan sah jedoch
mit wachsender Verzweiflung, wie Watkin auf seiner Bank hing,
ungeduldig in die Runde schaute, sein Gemächt
zurechtrückte und mit den lehmbeschmierten Stiefeln scharrte.
Benedicta bemerkte Athelstans Blick und sah besorgt den Mann an,
den sie liebte, aber niemals haben durfte, weil er ein geweihter
Priester war. Endlich wußte Athelstan nichts mehr zu
sagen.
    »Also,
Watkin«, bemerkte er trocken, »du hast eine sehr
dringende Angelegenheit vorzubringen?«
    Watkin richtete sich
zu voller Größe auf. Die fettige Stirn runzelte sich
unter dem leuchtend roten Schopf, der immer mehr zu einem buschigen
Haarkranz wurde. Die hellblauen Augen, die neben der Knollennase um
Platz zu kämpfen schienen, funkelten in die Runde.
    »Der Friedhof
ist geplündert!« platzte er heraus.
    Athelstan stöhnte
auf und senkte den Kopf.
    »Wie meinst du
das?« fragte Ranulf, der Rattenfänger, mit dem
scharfgeschnittenen Gesicht unter der schwarzen Teerkappe.
»In den letzten paar Tagen«, verkündete Watkin,
»sind Leichen ausgegraben

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