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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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worden.«
    Bestürzung
allenthalben. Athelstan erhob sich und klatschte in die Hände,
so lange, bis der Lärm sich legte. »Ihr
wißt«, begann er, »daß auf unserem Friedhof
von St. Erconwald oft Fremde begraben werden - Bettler zum
Beispiel, deren Leichen niemand beansprucht. Die Gräber von
Gemeindemitgliedern sind nicht angerührt worden.« Er
holte tief Luft. »Trotzdem-Watkin hat recht. Aus drei
Gräbern sind die Toten verschwunden. Alle drei waren eben erst
bestattet worden. Eine junge Bettlerin, ein Söldner aus
Brabant, der nach einer Prügelei im Wirtshaus tot gefunden
wurde, und ein alter Mann, den man vor dem Hospital des Heiligen
Thomas hatte betteln sehen; er wurde erfroren im Hof des Gasthofs
Zum Wappenrock gefunden.« Athelstan fuhr sich mit der Zunge
über die Lippen. »Der Boden ist hart gefroren«,
fuhr er dann fort. »Watkin weiß, wie schwer es ist, mit
Hacke und Schaufel so tief zu graben, daß es für ein
Grab reicht. Die geringe Tiefe der Gräber hat also den
frevelhaften Räubern die Arbeit erleichtert.«
    »Dann muß
man eine Wache aufstellen«, rief Pike, der
Grabenbauer.
    »Willst du das
übernehmen?« fragte Benedicta sanft. »Willst du
die Nacht auf dem Friedhof verbringen, Pike, und auf die
Grabräuber warten?« Ihre dunklen Augen musterten den
Gemeinderat. »Wer will Wache stehen? Und wer
weiß«, fuhr sie fort, »ob diese Grabfrevel nachts
begangen werden? Vielleicht geschieht es nachmittags oder
abends?«
    Athelstan warf ihr
einen dankbaren Blick zu. »Ich könnte Wache
halten«, schlug er vor. »Ich habe es schon getan, wenn
ich… äh …«Er brach ab.
    »Wenn du die
Sterne studierst, Bruder«, sagte Ursula, die
Schweinebäuerin; leises Gelächter war die Folge, denn die
ganze Gemeinde wußte natürlich von der seltsamen
Beschäftigung ihres Priesters.
    Huddle, der Maler,
regte sich. »Du könntest Sir John Cranston bitten, uns
zu helfen. Vielleicht könnte er Soldaten schicken, die die
Gräber bewachen?«
    Athelstan
schüttelte den Kopf. »Der Lord Coroner hat nicht die
Macht, die Soldaten des Königs hierhin und dorthin zu
schicken«, sagte er.
    »Und die
Büttel?« fragte Watkins Frau. »Die
Bezirkswache?« Ja, was ist mit denen? fragte Athelstan sich
betrübt. Der Rat und die Beamten des Bezirks kümmerten
sich kaum um St. Erconwald und schon gar nicht um seinen Friedhof,
und daß die Gräber dreier Unbekannter ausgeräumt
worden waren, würde sie einen Dreck interessieren.
    »Wer tut so
etwas?« fragte Benedicta leise. »Und warum? Was wollen
sie?«
    Auf ihre Fragen folgte
Schweigen. Alle Gesichter wandten sich wortsuchend dem Priester zu.
Diesen Augenblick hatte Athelstan gefürchtet. Der Friedhof war
ein Gottesacker. Als er vor neun Monaten in diese Gemeinde gekommen
war, hatte er sehr streng reagiert, wenn jemand dort einen
Marktstand aufstellen wollte oder die Kinder mit von streunenden
Hunden oder Schweinen ausgegrabenen Knochen spielten. »Der
Friedhof«, hatte er erklärt, »ist Gottesland; hier
warten die Gläubigen darauf, daß Christus
wiederkommt.« Athelstan hatte damals nicht alle Gründe
für seine Strenge benannt. Insgeheim teilte er die Angst der
Kirche vor denen, die Satan, den Herrn des Kreuzwegs und Meister
des Galgens, anbeteten und ihre schwarzen Künste auf
Friedhöfen ausübten. Er hatte von einem Fall in der
Gemeinde von St. Peter Cornhill gehört, wo ein Schwarzer
Magier das Blut solcher Leichen benutzt hatte, um Dämonen und
Skorpione heraufzubeschwören.
    Athelstan hustete. Was
sollte er antworten? Da flog die Tür auf, und Cranston, sein
massiger Erretter, kam hereingerauscht.

2. Kapitel
    Sir John warf seinen
Mantel zurück und schob sich den Biberhut in den
Nacken.
    »Komm,
Bruder«, donnerte er und zwinkerte Benedicta zu. »Man
braucht uns im Tower. Anscheinend schert der Mord sich nicht ums
Wetter.«
    Ausnahmsweise war
Athelstan froh über Cranstons dramatischen Auftritt. Er
musterte ihn eingehend.
    »Ihr wart am
Rotwein, Sir John?«
    Cranston tippte sich
an die fleischige Nase. »Ein bißchen«, antwortete
er zungenschwer.
    »Was wird mit
dem Friedhof?« jammerte Watkin. »Sir John, unser
Priester muß sich darum kümmern.«
    »Hau ab, du
stinkiges Männchen!«
    Watkins Frau stand auf
und starrte den Coroner vorwurfsvoll an. »Lord Coroner, ich
bin gleich bei Euch«, schaltete sich Athelstan ein.
»Watkin, ich kümmere mich um die Sache, sowie ich
zurück bin. Inzwischen sorgst du dafür, daß
Bonaventura sein Futter bekommt und die Fackeln

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