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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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wollte, aber als ich in die Küche kam, war da niemand, bei dem ich hätte sein können. Sie starrte mit leerem Gesicht auf die Leere der Kühlschranktür, und als ich auf sie zutrat, sprach sie mit einer fremden, ruhigen Stimme.
    Hi, Joe.
    Als mein Vater reinkam, ging sie langsam und andächtig auf seinen Arm gestützt die Treppe hoch.
    Lass sie nicht allein, Dad, bitte. Das sagte ich voller Angst, als er ohne sie wieder runterkam. Aber er antwortete nicht einmal mit einem Blick. Ich stand ihm unbeholfen, mit baumelnden Armen gegenüber.
    Warum tust du es?, platzte ich heraus. Was soll das überhaupt?
    Willst du es wirklich wissen?
    Er ging zum Kühlschrank, kramte darin herum und holte etwas Großes von ganz weit hinten heraus. Er stellte es auf den Tisch. Es war einer von Clemences angebrochenen Aufläufen, der schon so lange dort gestanden hatte, dass die Nudeln schwarz waren, aber so dicht an den Kühlelementen, dass er eingefroren war und im Augenblick noch nicht stank.
    Warum ich weitermache, willst du wissen?
    Mit einem lauten Krachen stürzte er den Auflauf auf die Tischplatte. Er hob die Ofenform herunter. Das Gebilde war mit weißem Flaum durchzogen, hielt sich aber in seiner länglichen Form. Mein Vater stand wieder auf und holte das Besteckfach aus der Schublade. Ich dachte, jetzt sei er doch noch wahnsinnig geworden, sah ihm nur zu und brachte kaum ein Wort heraus.
    Dad?
    Ich veranschauliche das jetzt mal für dich, mein Sohn.
    Er setzte sich und schwenkte ein paar Gabeln in meine Richtung. Dann legte er ruhig und konzentriert ein großes Tranchiermesser auf den gefrorenen Auflauf und begann einmal drum herum hier eine Gabel aufzustellen und dort eine Gabel, immer eine auf die andere, dann einen Löffel dazwischen oder ein Buttermesser, eine Kelle oder einen Pfannenwender, bis er das Ganze zu einer Art merkwürdiger Skulptur arrangiert hatte. Er schleppte die vier anderen großen Messer an, die meine Mutter immer sorgfältig schärfte. Es waren gute Messer mit einem Stahlkern durch den ganzen hölzernen Schaft hindurch. Diese Messer legte er in prekärer Balance ganz oben auf das andere Besteck. Dann lehnte er sich zurück und strich sich übers Kinn.
    Da haben wir’s, sagte er.
    Ich muss erschrocken ausgesehen haben. Ich war erschrocken. Mein Vater benahm sich wie ein Verrückter.
    Was haben wir, Dad?, fragte ich behutsam, wie man einen Delirierenden fragen würde.
    Er rieb sich die spärlichen grauen Barthaare.
    Das indianische Recht.
    Ich nickte und betrachtete die Konstruktion aus Messern und Besteck auf der eingefallenen Auflaufmasse.
    Okay, Dad.
    Er zeigte auf den Unterbau der Konstruktion und hob fragend die Augenbrauen.
    Äh … zum Himmel stinkendes Unrecht?
    Du hast das alte Cohen-Handbuch von meinem Dad ja gelesen. Du wirst Anwalt, wenn du nicht vorher im Gefängnis landest. Er stocherte in den pelzigen schwarzen Nudeln herum. Nehmen wir mal Johnson vs. McIntosh . Es ist 1823. Die USA sind gerade 47 Jahre alt, und das gesamte Land lebt davon, so schnell wie möglich und auf jede nur erdenkliche Weise indianisches Land an sich zu reißen. Bodenspekulation ist der Börsenhandel jener Zeit – jeder mischt mit. George Washington. Thomas Jefferson. Und natürlich Chief Justice John Marshall, der zu diesem Fall das Urteil geschrieben und damit die Grundlage für sein Familienvermögen gelegt hat. Der Hunger nach Land ist für die frisch gegründete Regierung nicht mehr kontrollierbar. Spekulanten erwerben Rechte an Ländereien, die noch im Besitz von Indianerstämmen sind und von ihnen genutzt werden – die Weißen wetten auf die Pockenepidemie. Wenn man bedenkt, wie viel Korruption schon im Spiel war, um diesen halbgaren Fall überhaupt vor Gericht zu bringen, war das Urteil überraschend. Aber es ist gar nicht unbedingt das Urteil selbst, das zum Himmel stinkt, sondern die obiter dicta , also die unabhängig von der eigentlichen Entscheidung formulierten Rechtsauffassungen in der Urteilsbegründung. Marshall hat sich wirklich alle Mühe gegeben, den Indianern jedes Recht an dem Land abzusprechen, das von Europäern »entdeckt« worden war. Im Grunde hat er die mittelalterliche Entdecker-Doktrin wiederbelebt, und das für eine Regierung, die auf die Rechte und Freiheiten des Individuums setzt. Marshall hat der Regierung das absolute Besitzrechtzugesprochen und den Indianern nur ein Nutzungsrecht, das jederzeit aberkannt werden konnte. Seine Ausführungen werden bis heute dazu benutzt, die

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