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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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es nicht. Ich behielt es.
    Wir fuhren zu Angus nach Hause, und er kam raus, sagte aber, dass er auf Befehl seiner Tante zur Beichte müsse, was uns zum Lachen brachte.
    Was ist das? Er wies mit dem Kinn auf meinen Ziegelstein.
    Bananenbrot.
    Ich hab Hunger, sagte er. Ich warf ihm den Klotz rüber, und er biß auf dem Weg zur Kirche davon ab. Er aß das ganze Ding auf, und ich war erleichtert. Dann knüllte er die Folie zusammen und steckte sie ein, um sie später mit den Dosen zusammen wegzubringen. Ich hatte gedacht, Cappy und ich würden auf der Bank unter der großen Kiefer warten, während Angus seine Beichte ablegte, oder auf dem Spielplatz, auch wenn wir leider keine Zigaretten hatten. Aber Cappy stellte sein Fahrrad neben Angus’ in den Fahrradständer, also stellte ich meins auch dazu.
    Hey, sagte ich, willst du etwa da rein?
    Cappy war schon halb die Stufen hoch. Angus sagte: Nein, wartet ruhig draußen, das macht mir nichts.
    Ich will beichten, sagte Cappy.
    Was? Bist du überhaupt getauft? Angus blieb stehen.
    Cappy ging weiter. Klar bin ich getauft.
    Ah, sagte Angus. Und bist du gefirmt worden?
    Yep, sagte Cappy.
    Wann war deine letzte Beichte?, fragte Angus.
    Was geht dich das an?
    Ich mein ja nur. Das wird der Pater fragen.
    Dann werde ich ihm antworten.
    Angus schielte zu mir rüber. Cappy schien es ernst zu sein. Sein Gesicht trug einen Ausdruck, den ich noch nie an ihm gesehen hatte, oder genauer gesagt, verschiedene Ausdrücke, die sich abwechselten – Verzweiflung und Wut und so eine Art zärtliche, träumerische Entrücktheit. Ich war so verstört, dass ich ihn an den Schultern packte und ihm fest in die Augen sah. Cappy, das geht nicht.
    Cappy jagte mir eine Heidenangst ein – er umarmte mich. Als er wieder losließ, sah ich, dass Angus noch entsetzter war als ich.
    Wisst ihr was, ich hab die Zeit verwechselt, sagte er. Komm, Cappy, lass uns schwimmen gehen.
    Nein, nein, die Zeit ist schon richtig, sagte Cappy. Er berührte uns beide an der Schulter. Gehen wir rein.
    Die Kirche war beinahe leer. Ein paar Leute warteten am Beichtstuhl, und ein paar andere beteten vorne zu Füßen der Heiligen Jungfrau vor dem Gestell mit den Votivkerzen in den roten Glashaltern. Cappy und Angus rutschten in die hinterste Bank und knieten sich hin. Angus war dichter am Beichtstuhl als Cappy. Er sah seitlich zu mir rüber, rollte mit den Augen und ruckte mit dem Kopf Richtung Tür, als wollte er sagen: Schaff ihn hier raus! Als Angus dann den Beichtstuhl betrat und densamtenen Vorhang schloss, steckte er noch einmal den Kopf raus und machte wieder dasselbe bedeutungsvolle Gesicht. Ich setzte mich dicht neben Cappy und sagte: Bitte, Cousin, ich flehe dich an, lass uns endlich hier verschwinden. Aber Cappy hielt die Augen geschlossen und ließ sich nicht anmerken, ob er mich hörte. Als Angus wieder rauskam, erhob sich Cappy wie ein Schlafwandler, ging in den Beichtstuhl und zog den Vorhang hinter sich zu.
    Erst kamen geheimnisvolle Geräusche – das Schaben des Schiebefensters, leises Geflüster –, dann die Explosion. Father Travis barst durch seine hölzerne Tür und hätte Cappy sofort erwischt, wenn der nicht unter dem Vorhang durchgerollt wäre und sich halb krabbelnd, halb rennend in die Kirchenbank geflüchtet hätte. Father Travis rannte nach hinten, um ihm den Fluchtweg durch die Kirchentür abzuschneiden, aber Cappy war schon an uns vorbei und sprang über die Bänke hinweg nach vorn, landete mit jedem atemberaubenden Satz auf der nächsten Sitzfläche und schaffte es fast bis zum Altar.
    Father Travis’ Gesicht war so weiß geworden, dass seine bisher unsichtbaren rötlichbraunen Sommersprossen hervortraten wie mit einem spitzen Buntstift gemalt. Er schloss die Tür nicht ab, als er Cappy nachsetzte – ein Fehler. Und er rechnete nicht mit Cappys Geschwindigkeit und mit der Übung, die er darin hatte, auf engem Raum seinem großen Bruder zu entwischen. Trotz seiner militärischen Ausbildung leistete sich Father Travis also gleich mehrere taktische Schnitzer. Es sah so aus, als könnte er einfach den Mittelgang hochlaufen und Cappy hinter dem Altar in die Enge treiben, und Cappy ließ ihn in dem Glauben. Er tat verwirrt und ließ Father Travis näher kommen, dann schoss er Richtung Seitengang und tat, als würde er stolpern, so dass Father Travis in eine der Bänke einbog, um ihn abzufangen. Als der Pater die halbe Bank hinter sich hatte, klappte Cappy schnell die Betbank runter und rannte

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