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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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22er beigebracht, sagte Cappy, nur für Erdhörnchen und Eichhörnchen, praktisch ohne jeden Rückstoß. Als wir dann zum ersten Mal auf Hirsche gegangen sind, hat er mir das 30 – 06er in die Hand gedrückt. Ichhatte Angst vor dem Rückstoß, und er hat gesagt, keine Sorge, Junge, das ist genau wie bei dem 22er, versprochen, probier’s einfach. Den Hirsch habe ich gleich mit dem ersten Schuss erwischt. Weißt du, warum?
    Weil du ein Imperator bist?
    Nein, mein Sohn, weil ich den Rückstoß nicht gefühlt hab. Weil ich keine Angst davor hatte. Ich hab ganz ruhig durchgezogen. Wenn du mit dem 30 – 06er übst, kann es passieren, dass du beim Abziehen zusammenzuckst und das Gewehr verreißt, weil du gar nicht anders kannst, als den Rückstoß zu erwarten. Am liebsten würde ich dich auch auf dem 22er üben lassen wie mein Dad mit mir, aber du bist eh schon verdorben.
    So fühlte ich mich auch. Ich wusste, dass ich verreißen würde, dass ich zucken würde, wusste, dass ich mich mit dem Verschluss blöd anstellen und ihn verklemmen würde und dass ich genauso gut schielen konnte, statt zu zielen.
    Nicht weit vom Haus gab es einen Holzzaun, auf dem wir Dosen aufstellten und sie runterschossen, wieder aufstellten und wieder runterschossen. Cappy fegte die erste sauber runter und zeigte mir genau, wie es ging, aber ich erwischte von den restlichen keine einzige. Ich war wahrscheinlich der einzige Junge im ganzen Reservat, der nicht schießen konnte. Mein Vater hatte sich nicht darum gekümmert, aber Whitey hatte versucht, es mir beizubringen. Es ging einfach nicht. Ich konnte nicht zielen.
    Dein Glück, dass wir nicht mehr in den alten Zeiten leben, sagte Cappy. Du wärst verhungert.
    Vielleicht brauch ich eine Brille. Ich war niedergeschlagen.
    Vielleicht solltest du ein Auge zumachen.
    Mach ich doch.
    Dann das andere.
    Beide Augen?
    Yeah, vielleicht geht es dann besser.
    Ich traf drei von zehn. Ich übte, bis wir den Großteil der teuren Munition verbraucht hatten, ein Problem, wie Cappy zuRecht bemerkte. Niemand durfte wissen, dass ich trainierte. Er konnte Doe nicht um Nachschub bitten, ohne ihm irgendeinen Grund zu liefern. Wir beschlossen auch, dass ich nur üben sollte, wenn niemand zu Hause war. Cappy fand sogar, dass wir weiter vom Haus weg mussten – zwei Weiden weiter, wo wir außer Sicht waren, wenn auch nicht außer Hörweite.
    Wir brauchen Geld, und dann müssen wir per Anhalter nach Hoopdance. Da gehen wir ins Eisenwarengeschäft, und ich besorge dir Munition.
    Nein, sagte ich, die besorg ich besser selber.
    Wir stritten eine Weile hin und her, bis ich losmusste. Ich hatte feste Zeitgrenzen – meine Mutter hatte gesagt, sie würde die Polizei hinter mir herschicken, wenn ich nicht um Punkt sechs zu Hause wäre.
    Die Polizei?
    Nicht wortwörtlich, hatte sie gesagt. Aber Onkel Edward vielleicht. Du würdest nicht wollen, dass er dich suchen geht, oder?
    Nein, das wollte ich wirklich nicht, dass Onkel Edward mit seinem dicken Auto losfuhr, die Scheibe herunterkurbelte und jeden ausfragte, der ihm über den Weg lief. Also ging ich nach Hause. Ich hatte noch das Geld von Sonja. Hundert Dollar steckten in meinem Ordner mit der Aufschrift Hausaufgaben . An Sonja zu denken war wie auf einen blauen Fleck einzuprügeln. Auf dem Heimweg legte ich mir einen Plan zurecht, wie ich meine Mutter dazu bringen konnte, mich nach Hoopdance zu fahren. Sie ging weiter davon aus, dass ich zur Katechese ging. Ich konnte vielleicht Kerzen gebrauchen. Oder feine Schuhe, damit ich Messdiener werden konnte.
    Das mit den Schuhen verfing tatsächlich. Am nächsten Tag nach der Arbeit fuhr meine Mutter mit mir zum Schuhgeschäft und besorgte mir ein Paar schwarze Schuhe, was reine Geldverschwendung war. Aber so konnte ich unter einem Vorwand in das Eisenwaren- und Sportgeschäft gehen, und sie wartete draußen,während ich für vierzig Dollar Munition für Does Gewehr besorgte. Der Verkäufer kannte mich nicht und sah sich den großen Geldschein sehr genau an. Ich ließ meinen Blick über die Farbeimer schweifen, über die Basketbälle und Baseballhandschuhe, die Golfecke, die Nagelkisten und die Drahtspulen, die Einweckgläser, die Schaufeln, Harken und Kettensägen und die Benzinkanister, die im Angebot waren. Sie sahen exakt so aus wie der aus dem See.
    Wird schon stimmen, sagte der Verkäufer und gab mir mein Wechselgeld.
    Draußen erzählte ich meiner Mutter, ich hätte eine Überraschung für Dad besorgt, der sich noch

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