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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Gouverneur ist natürlich für seine bigotte Einstellung zu Indianern bekannt, und er versucht diesen Ruf auf seine eigene Art und Weise loszuwerden. Du weißt ja, dass er aus PR-Gründen schon mal indianische Schulkinder unterstützt oder Assistenzstellen im State Capitol an besonders begabte indianische Highschool-Schüler vergibt. Aber diese Adoptionsgeschichte ist nach hinten losgegangen. Er hat seinen Anwalt den Fall vor das staatliche Gericht bringen lassen, das die Angelegenheit der Stammesverwaltung übertragen will, wie es sich gehört. Alle Beteiligten sind sich einig, dass das Kind indianisch aussieht, und der Gouverneur sagt, sie …
    Sie?
    Sie ist Lakota, Dakota oder Nakota, also jedenfalls eine Sioux, meint der Gouverneur. Aber sie könnte zu jedem beliebigen Stamm gehören. Und weil außerdem ihre Mutter …
    Wo ist ihre Mutter?
    Sie ist verschwunden.
    Meine Mutter richtete sich auf. Sie presste das Laken an sich, tastete sich in ihrem geblümten Baumwollnachthemd vorwärts und stieß ein unheimliches Heulen aus, das mir einmal durch die Wirbelsäule peitschte. Dann stand sie tatsächlich auf. Sie wankte und packte meinen Arm, als ich ihr helfen wollte. Sie fing an zu würgen. Ihre Kotze war von einem erschreckend leuchtenden Grün. Sie schrie noch einmal laut auf, dann kroch sie wieder ins Bett und blieb bewegungslos liegen.
    Mein Vater tat nichts weiter, als ein Handtuch auf den Boden zu legen, also setzte auch ich mich schweigend wieder hin. Plötzlich riss meine Mutter die Arme hoch und fuchtelte und stieß nach da und nach dort, als würde sie mit der Luft einenKampf ausfechten. Sie boxte, blockte, schob mit beunruhigender Wucht; sie trat und wand sich.
    Es ist vorbei, Geraldine, sagte mein Vater entsetzt und versuchte sie zu beruhigen. Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit.
    Sie wurde langsamer, dann hörte sie auf. Sie drehte sich nach meinem Vater um, starrte aus dem Bett hervor wie aus einer Höhle. Ihre Augen waren schwarz – schwarz in einem grauen Gesicht. Sie sprach mit einer tiefen, rauen Stimme, die zwischen meinen Ohren immer gewaltiger anschwoll.
    Ich bin vergewaltigt worden, Bazil.
    Mein Vater regte sich nicht, nahm nicht ihre Hand und versuchte sie nicht zu trösten. Er schien wie eingefroren.
    Es gibt keine Beweise für das, was er getan hat. Keine. Ihre Stimme war ein heiseres Krächzen.
    Mein Vater beugte sich zu ihr vor. Doch, die gibt es. Wir sind gleich ins Krankenhaus gefahren. Und es gibt deine Erinnerungen. Und noch andere Dinge. Wir haben …
    Ich erinnere mich an alles.
    Erzähl es mir.
    Mein Vater sah mich nicht an, weil sein Blick den Blick meiner Mutter hielt. Ich glaube, wenn er losgelassen hätte, wäre sie für immer in Schweigen verfallen. Ich zog den Kopf ein und versuchte mich unsichtbar zu machen. Ich wollte nicht dabei sein, aber ich wusste, wenn ich mich bewegte, würde das Band zwischen ihnen reißen.
    Jemand hat angerufen. Es war Mayla. Ich kannte sie nur über ihre Familie. Sie war so gut wie nie hier. Ein Mädchen noch, so jung! Sie wollte ihr Kind registrieren lassen. Der Vater.
    Der Vater.
    Sie hat ihn eingetragen, flüsterte meine Mutter.
    Erinnerst du dich an seinen Namen?
    Meiner Mutter klappte der Mund auf.
    Ihr Blick verschwamm.
    Nur weiter, Liebes. Erzähl weiter. Was war dann?
    Mayla wollte, dass ich mich beim Rundhaus mit ihr treffe. Sie hätte kein Auto. Sie sagte, ihr Leben hinge davon ab, also bin ich hingefahren.
    Mein Vater sog scharf die Luft ein.
    Ich bin auf diesen zugewucherten Parkplatz gefahren und habe das Auto abgestellt. Er ist auf mich los, als ich den Hügel hochwollte. Hat mir die Schlüssel weggenommen. Dann hat er einen Sack rausgeholt. Ganz plötzlich hat er ihn mir über den Kopf gezogen. Es war leichter, rosafarbener Stoff, und locker, vielleicht ein Kissenbezug. Aber er hing so weit runter, bis über meine Schultern, dass ich nichts sehen konnte. Er fesselte mir die Hände hinter dem Rücken. Wollte, dass ich ihm verrate, wo die Akte war, und ich sagte, es gäbe keine Akte. Ich wüsste gar nicht, von was für einer Akte er redet. Er hat mich umgedreht und weggeführt … hat mich an der Schulter festgehalten. Steig hier drüber, geh da lang, hat er gesagt. Er hat mich irgendwo hingebracht.
    Wohin?, fragte mein Vater.
    Irgendwohin.
    Kannst du irgendetwas dazu sagen, wo es war?
    Irgendwo. Da war es. Er hat den Sack nicht abgenommen. Und er hat mich vergewaltigt. Irgendwo.
    Bist du bergauf oder bergab gegangen?
    Ich

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