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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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wollte – was vermutlich stimmte, wenn ich mir die in ihrer geneigten Handschrift haarklein notierten Markennamen und die kleinen Tipps zur Auswahl ansah.
    Dass wir in unserem Reservat einen richtigen kleinen Supermarkt haben, ist etwas Besonderes. Vorher gab es Lebensmittel, außer bei der Essensausgabe der Verwaltung, nur in dem winzigen Vorgängerladen – Puffy’s Place. Dieser Laden verkaufte hauptsächlich haltbare Waren – Tee, Mehl, Salz, Erdnussbutter – und dazu gelegentlich Gartengemüse oder Wildbret. Es gab dort Perlenstickereien, Mokassins, Tabak und Kaugummi. Für richtiges Essen mussten wir mindestens zwanzig Meilen fahren und unser Geld den Ladenbesitzern außerhalb des Reservats überlassen, die uns voller Misstrauen durch die Gänge folgten und voller Verachtung abkassierten. Aber jetzt hatten wir unseren eigenen Supermarkt, der von unseren eigenen Stammesmitgliedern betrieben wurde und unsere eigenen Leute an der Kasse und im Lager beschäftigte. Auch wenn der Getränkeautomat davor zerbeult war, die magischen Schiebetüren alte Omas einklemmten und Kinder die Scheiben des Kaugummiautomaten so verschmierten, dass man nicht mehr durchgucken konnte, war es immer noch unser ganz eigener Laden. Lastwagen fuhren dort vor wie bei jedem anderen Supermarkt, füllten die Bestände auf und verschwanden wieder.
    Mein Vater und ich gingen an einer Pinnwand voller alter Powwow-Poster und Gebrauchtwagenanzeigen vorbei. Wir nahmen uns einen Einkaufswagen. Dad faltete die Einkaufsliste auf.
    Getrocknete Pintobohnen.
    Ich erinnerte ihn daran, dass Mom uns angewiesen hatte, die Plastikpackungen mit den Bohnen zu schütteln und auf Steine zu kontrollieren. Wir fanden die richtige Sorte im Nudelregal.
    Einen gefleckten Kiesel würde man da drin nicht erkennen, sagte ich zu meinem Vater und drehte die Packung hin und her.
    Die sollten wir auf Vorrat kaufen, sagte mein Vater und warf sechs, sieben Packungen in den Einkaufswagen. Die sind billig. Wir können sie zu Hause in einer Pfanne ausbreiten und auf Steine kontrollieren.
    Tomatenmark, Dosentomaten – die von Rotel mit den Chilis –, je vier Dosen. Fünf Pfund Hackfleisch. Möglichst mager, stand auf der Liste.
    Mager? Warum sollte sie mageres Hack wollen?
    Weniger Fett, sagte mein Vater.
    Ich mag Fett.
    Ich auch.
    Er warf ein paar Packungen in den Wagen.
    Cumin, las ich. Das fanden wir im Gewürzregal.
    Sie würde extra viel kochen und es Clemence geben, um sich für die vielen Abendessen zu revanchieren.
    Ich las weiter. Salat, Tomaten und Zwiebeln, und an denen sollten wir erst riechen, ob sie auch nicht innen vergammelt wären.
    Obst, egal welches, las mein Vater, der über meine Schulter auf die Liste blickte. Das schaffen wir schon, das mit dem Obst zu entscheiden, meinst du nicht?
    Wir sahen uns einen Stapel Zuckermelonen an. Einige davon hatten braune Stellen. Weintrauben gab es auch. Die hatten alle Stellen. Es gab einen Eimer Beeren aus dem Umland und ein paar Pflaumen. Dad suchte eine Melone aus, füllte Pflaumen in eine Papiertüte und Beeren in ein Plastikkörbchen.
    Wir kauften auch Hähnchen, ein anämisch wirkendes, zerlegtes Brathuhn, von dem wir die Teile nachzählten, wie von Mom gewünscht. Dazu eine Packung nur mit Keulen. Wir kauften Barbecue-Soße und für mich eine Packung Old-Dutch-Kartoffelchips. Ein paar Dosen Pilzsuppe landeten im Wagen. Ganzunten auf der Liste standen Milch und Butter: Eine Ein-Pfund-Box in Einzelstücken, gesalzen, und ein Pfund ganz, Süßr. Und Sahne.
    Was meint sie mit ganz? Mein Vater blieb mit einer Packung Sahne in der Hand neben mir stehen und sah stirnrunzelnd in die Liste. Was ist Süßr.? Warum gesalzen?
    Ich schob den Wagen vorneweg, also sah ich Linden Lark zuerst. Mein Vater muss gleich nach mir aufgeblickt haben. Einen Moment lang starrten wir ihn nur an. Dann die Bewegung. Mein Vater ließ die Sahne fallen, preschte voran und packte Lark an den Schultern. Er drehte ihn um, warf sich gegen ihn und packte ihn mit beiden Händen an der Kehle. Wie schon gesagt, mein Dad war ein bisschen unbeholfen. Aber in seinem Angriff lag so viel instinktive, plötzliche Wut, dass er aussah wie ein Kinofilmstunt. Lark prallte mit dem Hinterkopf gegen eins der Metallborde im Kühlregal. Eine Packung Butterschmalz fiel heraus, und Lark rutschte in der vergossenen Sahne aus und ratterte mit dem Kopf über die unteren Regalreihen, dass sie dröhnten. Die Glastür klappte meinem Vater gegen den Arm, als er, ohne

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